Hallo,
das sind ja viele verschiedene Diskussionsthemen auf einen Haufen. Da reizt es mich doch sehr, auch etwas dazu zu schreiben.
Zuerst einmal zu den Parteien. In den Parteien sitzen die gewählten Vertreter des Volkes. Idealerweise wäre es so, dass diese Parteien also tatsächlich die wirklichen Interessen des Volkes vertreten. Dazu kommt, dass im Parteiengesetz aber auch steht, dass Parteien an der Willensbildung des Volkes teilnehmen sollen. Das geschieht in der Regel dadurch, dass sie ein Parteiprogramm beschliessen, in dem steht, wofür die Parteien eintreten. So ist es jedem Bürger möglich zu sehen, wofür welche Partei einsteht, und so kann er zb entsprechend seine Verteter für seine Interessen wählen.
Soviel zur Theorie.
Praktisch sieht das jedoch leider ganz anders aus. Ich für mich persönlich habe schon lange nicht mehr das Gefühl, dass Parteien Interessen des Volkes vertreten. Vielmehr verteten sie in erster Linie ihre eigenen Interessen. Allen voran, dass sie grundsätzlich nach der Regierungsverantwortung streben oder sie beibehalten wollen, denn nur so sind ihre eigenen Interessen durchzusetzen. Dazu bedienen sie sich vieler Hilfsmittel, u.a. dem Lobbyismus. Lobbyismus ist grundsätzlich ja nicht einmal schlecht. Schliesslich sind Parteien am Ende nichts anderes als eine bestimmte Menge an gebündelten Interessen und Lobbyisten versuchen, bestimmte Interessen davon stark zu unterstützen.
Ärgerlich wird es dann, wenn der Lobbyismus dem Wohl des Volkes entgegensteht. Denn dann kann es zu politischen Entscheidungen kommen, die nur dem Wohl einer bestimmten Gruppe dienen und die einen Großteil der Bevölkerung benachteiligen. Eine regierende Partei hat aber die Interessen des gesamten Volkes zu beachten. Das bedeutet nicht, dass man es jedem Recht machen muss. Aber man muss das Gesamtwohl des Volkes vor Augen haben. Hier scheitert die Politik leider sehr häufig. Und das hat zur Folge, dass viele Menschen inzwischen jedes Vertrauen in die Politk verloren haben. In diesem Jahr war die NRW-Wahl. Die Wahlbeteiligung lag bei ca 65 %. Wenn ca 1/3 der Bevölkerung nicht mehr zur Wahl geht, dann sollte eigentlich jeder Politiker reihenweise schlaflose Nächte haben und sich fragen, was da falsch gemacht wurde, dass soviele Menschen sich von der Wahl ihrer Volksvertreter zurückziehen. Stattdessen werden dazu schnell mal 2-3 bedauernde Sätze gesagt und anschliessend wird der Wahlsieg gefeiert oder die Wahlniederlage schöngeredet. Die Parteien und das Volk sind inzwischen total entfremdet. Leider merkt das nur das Volk.
Zum Thema Sarrazin.
Man kann natürlich als freier Bürger dieses Landes jederzeit frei seine Meinung sagen. Allerdings endet diese Freiheit natürlich dann, wenn man damit andere Menschen beleidigt. Da hilft es auch nicht, dass man mit Absicht übertriebene Worte wählt, nur damit man mehr Aufmerksamkeit hat.
Herr Sarrazin hat mit voller Absicht sehr provozierende und übertriebende Worte gewählt. Diese beinhalteten u.a. Rassismus und Sexismus. Völlig egal, was er sonst für Thesen vertritt und ganz egal, wieviele Menschen seinen Thesen zustimmen, die Art und Weise, wie er sich geäußert hat, ist ein absolutes No-Go ! Herr Sarrazin verteidigt sich damit, dass der Zweck eben die Mittel heiligt und viele stimmen ihm zu. Der Zweck heiligt die Mittel ist aber einer der schlimmsten Leitsätze, die ich kenne. Wieviel Elend haben wir schon erlebt, weil dieser Satz die Grundlage für Entscheidungen war. Nunja, verbuchen wir dann eben Rassismus und Sexismus als Kollateralschaden. Sollen sich doch manche Völker oder Volksgruppen beleidigt fühlen. Hauptsache, wir diskutieren danach das richtige Thema. Armes Deutschland !
Das Thema Integration ist kein neues Thema. Es wird seit dem Zuzug ausländischer Gastarbeiter damals im Ruhrgebiet hier in Deutschland diskutiert und kommt immer wieder neu auf. Jedesmal ist es eine sehr emotionale Debatte und jedesmal stecken hinten den Diskussionen Ängste in der Bevölkerung. Beide Seiten der Diskussionen führen für ihre Thesen haufenweise Beispiele an und beide haben auch Recht. Klingt blöde, ist aber so.
Natürlich gibt es sehr viele Ausländer, die in der ichweissnichtwievielten Generation in Deutschland leben und voll integriert sind. Und natürlich gibt es auch viele Ausländer, die nicht integriert sind. Würde man nun nur sachlich diskutieren, wie man einfach mehr Ausländer integrieren könnte, dann wäre ja alles gut.
Das Problem ist nur, dass sehr viele Ängste in dieses Thema eingebracht werden. Und sie werden von manchen Leuten ausgesprochen populistisch geschürt. Machen wir uns nichts vor. Eine CDU, die sich heute eher links der Mitte als tatsächlich auf der konservativen Seite befindet, sieht hier eine Chance, neue Wähler an sich zu binden bzw alte Wähler zurückzugewinnen, wenn sie auf dieser Welle mitreitet. Für die CSU gilt dasgleiche. Aber hilft eine derart emotionale Diskussion wirklich? Profitieren wir als Bevölkerung davon, dass Ausländer gebrandmarkt werden als die Bösen, die hier alle Vorteile haben möchten, dafür sich aber nicht integrieren wollen?
Ich denke, wir sollten uns erst einmal fragen, was genau wir uns unter Integration vorstellen und was wir selbst dazu beigetragen haben, damit eine solche möglich ist. Reicht es wirklich, dass alle Ausländer einigermassen Deutsch können und dass sie unsere Verfassung und unser Rechtssystem kennen und akzeptieren? Wieviel eigene Identität dürfen Ausländer für sich bewahren? Wieviel Hilfe wollen wir Ausländern bei der Integration geben?
Wir müssen uns aber auch fragen, inwieweit wir den Ansprüchen, die wir an Ausländer stellen, selbst genügen. Wie gut ist denn tatsächlich das Deutsch der eigenen Bevölkerung? Wie sehr achtet denn die eigene Bevölkerung tatsächlich unsere Verfassung und unser Rechtssystem? Wie gut kennt unsere eigene Bevölkerung überhaupt unsere Verfassung und unser Rechtssystem?
Beim Thema Integration sind in der Vergangenheit viele Fehler gemacht worden. So haben es sich viele Städte und Gemeinden einfach gemacht und alle Ausländer zusammen in einer Siedlung/Stadtteil einquartiert. Gerade, als es vor vielen Jahren Aufnahmequoten gab, wieviel Ausländer man als Stadt aufzunehmen hatte, war das ein ganz normaler Vorgang. Aber wenn ich nun alle Ausländer an einer Stelle fokussiere, dann darf ich mich nicht wundern, wenn dort keine Integration stattfindet. Im übrigen verhalten sich die Deutschen da im Ausland auch nicht anders.
Für eine Integration wäre es erst einmal eine Grundvoraussetzung, dass Ausländer tatsächlich unter uns und nicht isoliert leben würden. Aber da hakt es schon. Wie oft habe ich von Leuten schon gehört, die Ausländer sollen sich integrieren. Aber wenn man sie fragt, ob sie es sich vorstellen können, dass dann eben vielleicht der eine oder andere Ausländer in seiner Nachbarschaft sich ansiedeln könnte, dann kommt ganz schnell eine Abwehrhaltung. Integration ja, aber bitte woanders und nicht hier.
Es gibt soviele Probleme rund um die Integration. Ich würde mir wünschen, dass man diese ernsthaft und in Ruhe angehen würde. Wenig hilfreich sind dabei geistige Brandstifter a la Sarrazin oder Seehofer, die so ein wichtiges Thema zu ihren eigenen Zwecken missbrauchen und dabei einen Schaden anrichten, der kaum wiedergutzumachen ist.
Moreau