Zuerst @ AJR:
Ergänzend zu Deinen Ausführungen kommt noch unser rückständiges Verständnis von Intelligenz. Wir glauben, wir können mit kleinen Tests oder Pisa-Studien usw tatsächlich herausfinden, ob jemand intelligent ist. Nur bleiben viele Felder des menschlichen Daseins dabei ausgeklammert. Die sog. soziale Intelligenz zb oder Kreativität, Empathie usw. Wer kennt nicht das Beispiel des Fachidioten, der auf wenigen Gebieten sich unglaublich auskennt und dafür im Alltag an vielem scheitert. Oft erleben wir auch, dass Menschen Befähigungen zu bestimmten Dingen haben und ihnen dabei oft bestimmte andere Dinge nicht liegen. Der eine ist gut in Mathe und Naturwissenschaften, aber schlecht in Sprachen und Sport und umgekehrt. Das habe ich ganz oft in der Schule erlebt. Auch im Berufsleben habe ich ganz viele Beispiele erlebt, wie eingeschränkt doch der Begriff "Intelligenz" einen Menschen beschreibt. Der berühmte Chefarzt, der cholerisch veranlagt ist und nur auf seinem Fachgebiet gut ist ( einige Male erlebt ). Fachlich gut, menschlich eine Flasche. Solche Typen kenne ich auch aus einigen Unternehmen, in denen ich tätig war. Beruflich befähigt mit guten Schul- und Uniabschlüssen, in leitenden Positionen tätig, aber keinerlei Fähigkeit zur Mitarbeiterführung, da zb keinerlei Empathie vorhanden ist. Und solche Menschen nennen wir dann intelligent, weil bestimmte, durch Tests bestätigte Fähigkeiten haben. Und doch sind ihnen ganz viele Menschen im Alltag überlegen, weil diese andere, ebenfalls wichtige Fähigkeiten haben, die aber nicht zur Intelligenz gezählt werden.
Zum Thema aber:
Unser Tun hat meistens Auswirkungen. Je auffälliger es ist, desto eher wird es wahrgenommen und möglicherweise auch entsprechend darauf reagiert. Jeder, der sich irgendwann mit seinen Vorlieben geoutet hat, hat da seine Erfahrungen gemacht. Und die sind in der Regel nicht nur positiv gewesen. Für mich persönlich kann ich sagen, dass ich da noch viel Glück hatte. Mein Druck, der durch all diese Heimlichkeiten auf mir lastete, war so groß, dass ich viel riskiert habe. Bei mir hat es auch der Arbeitgeber, meine Kollegen und auch einige Kunden erfahren ( neben Familie, Bekannten und Freunden ). Da die ersten Reaktionen positiv waren, hab ich schnell Selbstbewußtsein getankt und konnte daher später auch mit negativen Reaktionen gut umgehen. Aber negative Reaktionen kommen und wer das nicht erlebt hat, hatte unverschämtes Glück oder erzählt nicht alles.
Ich finde es anmaßend zu sagen, man muss sich nur trauen und dann geht alles gut. Es gibt auch Menschen, deren Umfeld ist alles andere als tolerant. Die riskieren tatsächlich, dass sich das Umfeld gegen sie stellt und das ist einigen auch so passiert. Da stehen dann Familie mit Frau und Kind auf dem Spiel, der Job, Freunde, da kann ein ganzes Leben umkippen. Daher sollte niemand auf den Rat reinfallen, man müsse sich nur trauen, dann geht alles gut. Ich stelle nicht in Frage, dass das so sein kann. Aber es ist immer ( !!! ) eine Einzelfallentscheidung und man sollte sehr genau abwägen, ob man sich outet oder nicht. Ist es einmal raus, dann verliert man jegliche Kontrolle darüber.
Ich bin mir sicher, es finden sich jetzt hier Menschen, die all dem, was ich hier schreibe, zig Theorien und eigene Erfahrungen entgegensetzen. Das ist alles schön und gut, aber jeder, der vor der Wahl steht, sich zu outen, der sollte daran denken, dass es um das eigene Leben geht. Geht das schief, dann sind all die schlauen Ratschläge und Erfahrungen und Theorien von anderen nichts wert. Dann verabschiedet sich das eigene Leben von einem, nicht das derer, die einem Mut gemacht haben, alles preiszugeben.