Ja, Beinkleid, der Hipster mit dem langen Bart und dem karierten Hemd ist zweifelsfrei modisch im Kommen!
Daneben kann man zumindest hier im Dorf am Rhein aber auch den langen Schlacks mit zu engen und zu kurzen Hosen unter dem ebenfalls zu engen Sacko mit extremem Taillenschnitt und feinen Seidenkniestrümpfen in den englischen Lederschuhen beobachten.
Ich find' beides ebenso grauslig anzuschauen wie die junge Generation in diesen Jeans, die man mit Doppelklebeband unterhalb der Pobacken fixiert, damit die Hände die Hosentaschen auch bei ausgestreckten Armen erreichen können.
Da könnte man doch meinen, dass ein Rock am Mann mit Feinstrumpfhosen auch nicht schlimmer aussehen würde, aber am Aussehen liegt es eben nicht, wie hier ja schon gefühlt n-hoch-drei-Mal festgestellt wurde.
Es liegt einfach an der Assoziation von etwas Sexuellem, das man dem Bart-Hipster nicht unterstellen würde, jedenfalls konnte ich in keinem der einschlägigen Portale zur Verbreitung anregenden Bild- und Videomaterials für die hormonelle Betätigung Material mit dem Kontext "karierte Holzfällerhemden" finden.
Wenn man sich die ganzen rethorischen Eiertänze hier anschaut, beschleicht zumindest mich der Eindruck, dass das auch eigentlich jedem hier klar ist.
Da "mutet" man der Allgemeinheit "etwas zu", wenn man Nylon öffentlich sichtbar trägt, man möchte sie nicht "belästigen", sorgt sich um die Kinder, die eventuell der nylonverhüllten Männerbeine angesichtig werden könnten, und dadurch in ihrer sexuellen (sic!) Entwicklung gestört, wenn nicht traumatisiert werden könnten und dergleichen mehr.
Woher also kommt diese Sexualisierung eines Kleidungsstücks oder eines Materials?
Ich kann das, wie möglicherweise viele der hier aktiven Nutzer, für mich einfach damit beantworten, dass mir das Stöffchen und die daraus gewirkten Kleidungsstücke durchaus auch zu schubbernden Tätigkeiten gedient haben ;-)
So ist ja dann auch zu erklären, warum diese Geschichte mit dem ersten Strumpfhosenkauf und dem roten Kopf an der Supermarktkasse hier so überproportional, um es vorsichtig auszudrücken, vertreten ist.
Es gibt da diesen Kabarettisten namens Johann König, der hatte mal eine klasse Nummer in seinem Programm.
Er schildert darin, umständlich wie immer, wie er in einem Supermarkt nach Feierabend einkauft.
Er kauft Bananen, Joghurt und Klopapier und dann steht er an der Kasse und schaut sich immer wieder nervös um.... hier quälend lange Schilderungen, wer da alles steht und wo und wie.... und dann weiß er plötzlich, dass die Kassiererin genau weiß, was er damit zuhause vorhat
Die böse Evolution hat nunmal leider den (langen) Beinen eine Funktion zugelost, die für die Erhaltung der Art sich als recht vorteilhaft erwiesen hat.
Neben dem ausgeprägten Podex und den beiden Garanten für die Ernährung potentiellen Nachwuchses bietet das weibliche Bein, insbesondere, wenn es zur Schau gestellt wird oder gar mittels hoher Hacken noch verlängert wird, der männlichen Hormonproduktion einen schönen Anlaß zu spontanem Wachstum.
Da lacht das männliche Gen mit der Evolution um die Wette und denkt sich: "Gestatten? Begatten!".
Und nun rebelliert da modisch ein Mann, indem er gerade diese wirklich sehr alte "Tradition" auf den Kopf stellen möchte, indem er diesen wirklich alten reflexhaften, weil unterbewussten, Impetus in Form eines Strumpfes oder hoher Schuhe - ja was eigentlich? - ignoriert? Stört? Verneint? Als Atavismus erkennt?
Oder begibt er sich selbst in die weibliche Rolle?
Wird quasi unbemerkt bemerkt, dass er diese archaische Rolle einnimmt und dadurch eigentlich weibliche Paarungsbereitschaft signalisiert?
Ist deswegen die Homosexualität eine der ersten Assoziationen beim Anblick des "Mann im Rock"?
"Was erlaube Strumpf?" könnte man in Anlehnung an einen ehemals sehr populären Italo-Bayern fragen. Was maßt man(n) sich da an, das muss doch sexuelle Gründe haben!
Und genau hier kommen wir dann bei der Frage an, wie man sich - wir befinden uns nun wieder unmittelbar im oben erwähnten rethorischen Eiertanz - zwar so ein wenig von der anderen Rolle anziehen kann, ohne jedoch diesem Verdacht ausgesetzt zu sein.
Mir stellt sich dabei eigentlich immer nur die Frage, was ICH damit will, was es mir gibt und nicht, was WIR Strumpfhosenträger damit wollen, denn jeder von uns ist da sicher ein wenig anders eingestellt, hat andere Motive, eine andere vita.
Gerade AJR hat ja schon mehrfach festgestellt, dass für ihn der Kick gerade darin besteht, dass "es" eben nicht der Normalfall ist, und auf irgendeine Weise sehe ich das ähnlich, wenngleich ich das auch nur sehr diffus so wahrnehme.
Nun habe ich viel geschrieben, ohne auf deinen Text eingegangen zu sein, aber ich denke, einiges in meinen Überlegungen führt letztlich zu dem "gesellschaftlichen Krieg", den du in deinem Fazit ansprichst.
Genau hier ist leider ja schon wieder (auch) die Evolution am Werke, die gezeigt hat, dass es zum Überleben einer (unserer) Spezies förderlich ist, wenn wir sind, wie wir sind, gesellschaftliche Wesen, und eine Gesellschaft mit gewissen Konventionen hervorbringen.
Wir sind da immer in einem widersprüchlichen Konstrukt, denn was auf der einen Seite dem Überleben und der Entwicklung förderlich ist, wird eingehegt durch konkurrierende Ziele.
Ohne Aggression und den Willen besser zu sein als andere, säßen wir heute nicht vor diesen lustigen bunten Bildschirmen und unterhielten uns über Grenzen hinweg, andererseits hätten wir uns ohne einen Anklang an Altruismus und Nächstenliebe in Form der Möglichkeit, auch einmal nachzugeben, tolerant zu sein, wahrscheinlich schon in das Buch der erfolglosen Ideen der Evolution eingetragen.
Insofern ist es immer gut, "die Gesellschaft" nicht zu verteufeln, deren momentane Konventionen aber auch nicht völlig ohne Hinterfragen als das nun plus ultra hinzunehmen.
Man muss sich halt in jedem Fall ganz für sich als Individuum überlegen, welche Rolle man in der Gesellschaft zu spielen bereit ist, was man damit erreichen kann und will und last but not least, welche eventuellen unangenehmen Konsequenzen für die eigene Person man hinzunehmen bereit ist.
Tschull-jung, issen bisschen länger geworden...
Adrian