hetero...bi... homo?

Lieber Pezi,

leider kann man Deine *in* die Zitate geschriebene, nur durch blau abgehobene Bemerkungen nicht einfach wiederum zitieren. Gib doch das Zitat bzw. den gerade zitierten Abschnitt (z. B. meines Postings) bitte wie es üblich ist, nämlich unverändert, und schreibe dann Deine willkommenen, aufmerksamen Kommentare darunter - dadurch würde es leichter zu antworten (gerade für uns, die mobil reingehen und nicht am Mac oder PC) und bleibt auch eindeutiger von wem was ist.


Zur Frage der Quellen: Es gibt zu viele.
Ich erlaube mir stellvertretend den Stand der Wissenschaft aus dem medizinischen Pschyrembel Wörterbuch Sexualität zu zitieren

Pschyrembel Wörterbuch Sexualität schrieb:
...
Über die Entstehung der individuellen sexuellen Orientierung bestehen weitgehende Unklarheiten. Intensive Bemühungen in der Erforschung der Entstehung von (insbesondere männlicher) Homosexualität ergaben bis heute kein schlüssiges Konzept; es läßt sich zwar eine familiäre Häufung beobachten, die eine genetische Bedingtheit nahelegen könnte, aber der Nachweis spezifischer Gene steht weiterhin aus. Zugleich herrschen kaum Zweifel an der Richtigkeit der (zuerst von [richtig: in] der Psychoanalyse) vertretenen) Annahme einer grundsätzlichen Bisexualität des Kindes, die sich erst im Verlauf der psychosexuellen Entwicklung in eine individuelle Orientierung wandelt.

Im Bewusstsein der wissenschaftlichen Unkenntnis wird daher heute formuliert, dass (weithin unbekannte) genetische u. hormonelle Grundvoraussetzungen unter (gänzlich unbekannten) prägenden Einflüssen u. (nicht näher definierten) nachfolgenden Lernerfahrungen die sexuelle Orientierung schon im frühen Kindesalter festlegen u. dabei überwiegend eine heterosexuelle Orientierung entsteht.
Weiter kann als gesichert gelten:
1. Es besteht kein direkter Zusammenhang mit bestimmten familiären Konstellationen oder mit sexueller Verführung;
2. die zukünftige Orientierung drückt sich nicht selten schon im Rollenverhalten des Kindes aus;
3. die endgültige Orientierung wird im Verlauf der Pubertät festgelegt:
4. sie ist dann subjektiv überzeugend und kaum veränderlich.
Zugleich ergeben neuere Forschungen einerseits (vor allem bei Frauen) die Möglichkeit von (auch mehrfachen) Wechseln der Orientierung im Verlauf der Biographie, andererseits werden wechselseitige Abhängigkeiten zwischen Geschlechtsrolle, Geschlechtsidentität und sexueller Orientierung beobachtet,die eine gewisse Wandtlbarkeit des Merkmals (nicht aber eine willentliche Beeinflussbarkeit) nahelegen. Es besteht Einigkeit darüber, dass individuelle oder gesellschaftliche Nichtakzeptanz der sexuellen Orientierung zu schweren (u.U. therapiebedürftigen) psychischen Störungen führen kann, während eine therapeutische Beeinflussung der Orientierung selbst als unnötig und unmöglich betrachtet wird.

Früher bezogen sich [Bewertungen[/b] des Sexualverhaltens überwiegend auf die sexuelle Orientierung; diese Bedeutung hat das Merkmal heute weitgehend verloren. Sie gilt als wissenschaftlich (und zunehmend auch gesellschaftlich) als gegebenes Persönlichkeitsmerkmal jedes Menschen, das allenfalls hinsichtlich seiner sozialen Folgen und seines Befriedigungswerts für den einzelnen bewertbar ist.

Das deckt sich übrigens u. a. mit einer Legion von Coming-out Berichten. Ist die sexuelle Orientierung erst einmal etabliert (kommt evtl. nach langer Verdrängung zum Tragen ) bleibt diese in der Regel bestehen.
Interessanterweise kann ich keine gesicherten Berichte finden (außer in religiösen homophoben Veröffentlichungen), dass sich die sexuelle Orientierung einer sich einmal als homosexuell (lesbisch oder schwul) oder bi definierenden Person zur Heterosexualität ändert.
Darüberhinaus gibt es noch das gelegentliche Phänomen des, wie ich es nenne, "(zu)-weit-ausschlagenden Pendels", dass heißt, dass jemand der sich zu seiner vorher unterdrückten sexuellen Orientierung freikämpft, u. gewissen Umständen sich zunächst mit der naheliegenden, anderen Gruppe einordnet, etwa ein Mann, der sich erst noch als bi empfindet, aber erst später merkt, dass er schwul ist, oder eine Frau, die sich endlich als Lesbe beginnt zu sehen und nach einiger Zeit ihre schließliche Identität als bi entdeckt (s. oben - bei Frauen ist dies vermutlich häufiger. Dies ist auch in lesbischen, und weibl.-bisexuellen Coming-out Berichten häufiger zu finden)



Zu Kinsey noch:
Das der Direktor des Kinsey-Instituts bestrebt ist, den "Kinsey"-Report durch neue Belege zu stützen, sollte man erwarten. Es besagt an und für sich nichts über die Richtigkeit. Wissenschaftlich ist es nur, wenn er auch bewußt, widerstreitende, empirische Information sucht, und dann zeigen kann
a) dass und warum (Belege!) diese nicht existieren kann
b) dass diese nur scheinbar widerstreitet und von ihm durch schlüssige Argumentation und Belege in seine Hypothesen (mehr ist es ja nicht!) integriert werden kann (ggf. unter deren Anpassung, Wandlung!)

Das Kinseys Ziffern (durch Bewertung und Auswertung seiner Daten) zu hohe Werte für die Prävalenz von Homosexualität und vor allem Bisexualität ergeben, und damit vor allem der öffentlich verbreiteten Auffassung, dass die meisten Menschen dauerhaft latent bi seien, steht auf einem anderen Blatt
Der Pschyrembel-Text macht auch - in all seiner vorsichtigen Formulierung - deutlich: Wir sind als Lebewesen zunächst einmal und potentiell bisexuell angelegt, bis dass die endgültige sexuelle Orientierung einsetzt.


LG
Atalanta
 
Lieber Pezi,

was ist gemeint mit "meine weiblichen Gefühle"

Das Gefühl im falschen Körper zu stecken?

Ja, in etwa kann man es mit diesem populär gewordenen Wort sagen.

oder bestimmte Gefühlsqualitäten, die du Frauen zuschreibst und von denen du denkst, dass sie Männern verwehrt sind?

Nein, und so denke ich darüber ebenfalls nicht.

Richtig ist wohl, dass eine große Zahl Frauen und Männer, gemäß der sich nur z. T. überlappenden Glockenkurven ähnliche Gefühle hat.
Dann hat eine größere Zahl von Frauen Gefühlskonstellationen, die nur eine kleinere Zahl von Männern haben und umgekehrt.

Es gibt aber unbestreitbar geschlechtsspezifische gewisse Gefühle (und alles was damit zusammenhängt) , die man aber einer Gruppe allein zuschreiben muß, z.B.:
- Das Gefühl ein Kind in sich tragen zu können, ist nur bio-Frauen vergönnt
- die jeweiligen mit den Sexual- Organen verbundenen Erfahrungen und Gefühle sind nur der jeweiligen Gruppe (und je nach dem Transpersonen) eigen

Darüberhinaus ist plausibel, dass die nachweislichen Differenzen weiblicher und männlicher Gehirntätigkeit im komplexen Wechselspiel mit Hormonen und Außeneinflüssen durchaus geschlechtsspezifische Ausprägung im geschlechtsbedingten Gefühlshaushalt mit sich führen können (regelmäßig werden z. B. von Transidenten starke Unterschiede nach konträrer Geschlechtshormongabe berichtet bzw. bei Unterlassen der Einnahme).

Wir sind nun einmal im Prinzip der Evolution unterworfene Tiere mit biologischer Bedingtheit.
Dass wir dem durch Einsatz unseres Gehirns (Kultur, kulturell gesteuerte teilweise Überformubg von Verhaltensweisen) bis zu einem gewissen Grad nicht vollständig ausgesetzt sind, und fähig sind, uns durch Ethik darüber erheben zu können (was immer neu gegen die Natur erkämpft werden muss), ändert nichts an unserem biologischen Gegründetsein.
Randbemerkung: Allerdings sollten wir auch nicht zu eingebildet sein auf unser Gehirn, auf unsere vermeintlich freie Denke. Gehirnforscher gehen mehr und mehr davon aus, dass es ein "freier Wille" eine Illusion ist, was große Fragen aufwirft, etwa nach der Strafbarkeit menschlicher Handlungen.



Meintest du aber das grundlegende und andauernde Gefühl im falschen Körper zu stecken, (was ganz andere Konsequenzen hat - ebenfalls eine Lebensaufgabe, die nie endet)

Das kann man m. E. wohl nicht generalisieren, gerade nicht als Außenstehender. Nur das betroffene Individuum selbst kann bestimmen (aber ggf. mit Unterstützung anderer), was es als Lebensaufgabe nimmt:

Offenbar endet die vermeintliche Lebensaufgabe für eine gewisse Anzahl von Transpersonen irgendwann nach einer geschlechtsanpassenden OP. Sie leben dann (und sterben einmal) unauffällig im Zielgeschlecht.

Andere sehen es freiwillig oder unfreiwillig als Lebensaufgabe an, trans zu sein, z.B. auch nach einer entsprechenden OP.

dann wäre das eigentlich kein "weibliches" sondern eher ein "transidentes" Gefühl.
Ich verstehe, was Du meinst.
Auch da wäre ich aber dafür, jeder/jedem die Selbstidentifikation zu belassen. Wie jemand "weiblich" oder "männlich" empfindet, kann niemand anderes sagen, definieren oder vorschreiben. Jede Person "weiß" nur selbst, durch ihre eigene Identität, was für sie weiblich oder männlich ist.

Als ich am letzten Wochenende bei einer Freundin zu Besuch war, habe ich mich zu keinem Zeitpunkt "transident" gefühlt, sondern weiblich. Transident ist doch nur die äußere Beschreibung des Unterschieds zwischen innerem und äußerem Sein.


LG
Atalanta
 
....
Der Pschyrembel-Text macht auch - in all seiner vorsichtigen Formulierung - deutlich: Wir sind als Lebewesen zunächst einmal und potentiell bisexuell angelegt, bis dass die endgültige sexuelle Orientierung einsetzt.


Ich kann nur von mir selbst sprechen und kann sagen, dass ich mich biographisch betrachtet auch nach 44 Jahren weder in dem Mustern:
bi, hetero, homo, queer, transident usw. wiederfinde.
Auch nicht wenn ich an die Partnerwahl denke.

Wer legt den wann fest ob ich hetero, bi oder home bin?
wo ist den da die Messlatte?
Wo die Grenze?
Wie oft muss ich z.b. bei der Selbstbefriedigung an Sex mit Paaren oder Männern denken um nicht mehr als hetero sondern als bi zu gelten? Wie oft darf als "homo" ich in Laufe meines Lebens auch mal eine Frau begehrenswert finden?


Es geht also wieder mal um den Streit zwischen Konstruktivisten und Essentialisten (oder zwischen Gender -sozial erworbenes Geschlecht und Sex - biolgisches Geschlecht)

Habemas schreibt dazu u.a.:

.... Alle sind sich einig, daß beim menschlichen Verhalten sowohl angebotene wie anerzogene Faktoren wirksam sind. Vielmehr geht es nun um fundamental verschiedene wissenschaftliche Ansätze bei der Definition des Forschungsgegenstandes. Die einen behaupten, einen in der Realität vorhandenen Gegenstand, «den Homosexuellen», zu studieren. Dessen «natürliche» Existenz wird von den andern jedoch bestritten. Damit ist jede Verständigung zwischen den Kontrahenten über die genaue Beschaffenheit des Gegenstandes unmöglich. Es ist wie bei Tunnelbohrern, die gleichzeitig auf den entgegengesetzten Seiten eines Bergmassivs (hier «homosexuelles Verhalten» genannt) anfangen, sich dann aber in der Mitte um Kilometer verfehlen. Sie haben einfach auf verschiedenen Ebenen gearbeitet.


Dies scheint sich in klein gerade zwischen uns abzuspielen.
Das lässt mich vermuten, das für jeden von uns "seine" Theorie gerade wichtig zur Bestätigung seines eigenen derzeitigen Standpunktes, seiner Wirklichkeitskonstruktion und somit seines Tuns ist.

noch einmal Habermas:

Wohlgemerkt: Die Konstruktionisten bestreiten nicht, daß es homosexuelles Verhalten gibt, aber sie leugnen, daß dies Verhalten einen bestimmten Menschentypus definiert. Vielmehr kommt dieses Verhalten bei vielen Menschen selten, gelegentlich, häufig oder ständig vor; es verstärkt sich, schwächt sich ab oder verschwindet, und es existiert in vielen Fällen zusammen oder abwechselnd mit heterosexuellem Verhalten. Diese Beobachtung aber läßt wiederum jeden Versuch als sinnlos erscheinen, eine wie immer erschaffene körperliche Anlage zur Homosexualität in bestimmten Individuen zu lokalisieren. Schon die Auswahl einer entsprechenden Stichprobe und einer dazu passenden (gegensätzlichen) Kontrollgruppe wirft erhebliche Probleme auf, die aber von den meisten Naturforschern in erstaunlicher Naivität einfach ignoriert werden.
 
Ach Kinder, lasst doch die Kirche im Dorf. Der weitaus überwiegende Teil der Menschheit ist heterosexuell veranlagt. Das hat die Evolution eben so hervorgebracht, sonst wäre die Menschheit nämlich schon längst ausgestorben.

Wenn man manche Beiträge hier so liest, könnte man ja fast den Eindruck erhalten, dass homo, bi, hetero, transident, usw., usw., auch quantitativ gleichberechtigt nebeneinander stehen. Dem ist mitnichten so. Alles was es neben heterosexuell sonst noch gibt, tritt doch vergleichsweise selten auf.
 
Ach Kinder, lasst doch die Kirche im Dorf. Der weitaus überwiegende Teil der Menschheit ist heterosexuell veranlagt. Das hat die Evolution eben so hervorgebracht, sonst wäre die Menschheit nämlich schon längst ausgestorben.

Wenn man manche Beiträge hier so liest, könnte man ja fast den Eindruck erhalten, dass homo, bi, hetero, transident, usw., usw., auch quantitativ gleichberechtigt nebeneinander stehen. Dem ist mitnichten so. Alles was es neben heterosexuell sonst noch gibt, tritt doch vergleichsweise selten auf.

Mag sein, dass dies jetzt bei uns so ist.
Es gab aber schon andere Kulturen in der Menschheitsgeschichte (Stichwort alte Griechen) wo das ganz anders war.
Der Mensch ist ein Lebewesen, wo sich Fortpflanzungsfähigkeit und Sexualität getrennt hat.
 
Daran glaube ich nicht Pezi. Ich weiß schon, dass sexuelle Beziehungen zwischen griechischen Männern üblich waren. Ich halte das aber für eine Art Modeerscheinung oder von mir aus auch soziale Gepflogenheit. Ich bin überzeugt davon, dass auch bei den Griechen die sexuelle Anziehung des jeweilig anderen Geschlechtes der eigentliche Motor der Gesellschaft war.
 
was der motor der gesellschaft ist weiß ich nicht.
auch habe ich nicht genug geschichts- und ethnokenntnisse um wirklich gut Bescheid zu wissen

aber ein paar Beispiel habe ich noch die eine angebliche natürliche überwiegend vorhandene Heterosexualität in Frage stellen.

bei vielen indianischen Natürvölkern gibt es ein 3 Geschelcht, als selbstverständliche Möglichkeit für einen mann, in der Rolle einer Frau zu schlüpfen. Diese Menschen haben dort sogar häufig hohes Ansehen gelten z.b. als Medizinfrauen / Männer.

Auch in den männlichen Initiationsriten vieler Völker finden sich starke homoerotische Anteile. In der Antike gab es auch im alten Rom jede Menge praktizierte Homoerotik die gleichwertig neben der Heteroerotik stand.

Erst mit dem Abendland und den christlichen Moralvorstellungen hat sich das in verändert.

von anderen Ländern weiß ich nicht so viel. Nur eines:
Ein mir bekannter Arzt türkischer Herkunft erzählte mir, dass die Definition für Homosexualität in der Türkei eine andere als bei uns ist. z.b. gilt ein Mann der aktiv bei einen anderen Mann Analverkehr ausübt nicht als schwul.

Es könnte also durchaus sein, dass das was in einer Kultur als hetero oder schwul erkannt und bezeichnet wird (also z.b. die überwiegende Mehrheit der heute lebendene Deutschen ist hetero) nichts mit den biologischen Analgen zu tun hat, sondern mit den was moralisch oder geselschaftlich verlangt oder sankioniert wird.
Heteorosexualität gehört zur hegomialen Männlichkeit genauso wie Stärke, Status, Macht, Rationalität, Souveränität usw., obwohl jeder reflektierte Mann sehr wohl weiß, dass dies nicht der überwiegende Zustand seines Mannseins entspricht.
Vergiss nicht das bis vor wenigen Jahren Homosexualität bei uns noch kriminalisiert war und es ist keine 70 Jahren her, da waren Schwule ihres Lebens bedroht.
Auch heute noch ist unsere Gesellschaft stark durch heterosexuelle Normen geprägt. Schwul zu sein ist das Wort für Abwertung und hat eine Bedeutung die weit über das sexuelle Verhalten hinaus geht.

Kein wirkliche Bedingungen in dem sich etwas, was vielleicht in mir auch vorhanden ist frei entfalten könnte (entsprechende Gefühle und Bedürnisse werde ich dann auch eher verdrängen und durch komfomere ersetzen, vor allen dann wenn ich eben nicht ganz auf einer Seite bin).

und noch mal Habermas:

Angesichts der Bedrohung durch AIDS wurden in vielen Ländern anonyme Erhebungsbögen entworfen, die bei testwilligen oder bereits getesteten Personen das tatsächliche oder mögliche Infektionsrisiko festhalten sollten. Anfangs war das Vorgehen oft noch sehr naiv. Man fragte vor einem Test etwa einen Mann ganz einfach: «Sind Sie schwul?». Sagte er darauf ja, so wurde als Infektionsrisiko «Homosexualität» in einem Kästchen auf dem Bogen angekreuzt. Sagte er nein, so galt automatisch das Kästchen «Heterosexualität». Erst allmählich wurde den Epidemiologen klar, daß nicht alle selbstdefinierten Schwulen Sexualkontakt haben und daß viele Männer mit gleichgeschlechtlichen Kontakten sich nicht als schwul definieren. Also wurde die Frage geändert in: «Hatten sie homosexuelle Kontakte?». jedoch fanden immer noch allzu viele Befragte ihre gleichgeschlechtlichen Aktivitäten auch damit nicht gemeint, besonders, wenn sie gleichzeitig andersgeschlechtliche Beziehungen hatten. Daraufhin fragte man, etwas klüger geworden: «Hatten sie homosexuelle oder bisexuelle Kontakte?» je nach der Antwort, wurde dann eins von drei Kästchen angekreuzt: «Patient ist heterosexuell» oder «Patient ist homosexuell» oder «Patient ist bisexuell». Aber auch hier mußte man noch einmal lernen, daß viele Männer das Wort «homosexuell» nicht auf ihre eigenen Sexualkontakte mit anderen Männern bezogen, und daß wieder andere das Etikett «bisexuell» für ihr Verhalten ablehnten trotz nachgewiesenen oder bei Nachfragen zugegebenen Sexualkontakten mit Frauen und Männern. Also fragte man schließlich noch schlichter und getrennt: «Hatten Sie sexuellen Kontakt mit Männern, mit Frauen?». Wurde beides bejaht, so schrieb man dennoch wie gewohnt: «Patient ist bisexuell.» Nicht nur das: Man addierte die Betreffenden mit den «Homosexuellen» zusammen zu einer neuen Kategorie «homosexuelle und bisexuelle Männer». (Man hätte ja mit der gleichen Logik auch «heterosexuelle und bisexuelle Männer» zusammenaddieren können, aber auf diesen Gedanken kam niemand.) Die neue, kombinierte Kategorie («homo/bi») wurde dann unter dem Einfluß der amerikanischen Centers for Disease Control (CDC) weltweit eingeführt.
Allerdings wurde mit der Zeit einigen Epidemiologen klar, daß hier sehr verschiedene und epidemiologisch unterschiedlich relevante Verhaltensweisen in einen Topf geworfen wurden.
Offensichtlich war es für die Abschätzung des Epidemieverlaufs wichtig herauszufinden, worin denn nun das bisexuelle Verhalten im Einzelfall genau bestand. Wenn also etwa ein Stricher täglich mehrere männliche Kunden bediente und gleichzeitig mehrere Freundinnen hatte, so spielte er eine ganz andere epidemiologische Rolle als ein ansonsten «treuer» Ehemann, der diesen Stricher (und nur ihn) als Kunde einmal im Jahr homosexuell in Anspruch nahm. Dieser für jede Präventionsarbeit entscheidende Unterschied wurde durch die Pauschalaussage «bisexueller Patient» unsinnigerweise eingeebnet. Man entdeckte auch noch andere, in der Sexualwissenschaft seit langem bekannte Typen bisexuellen Verhaltens, etwa das der überzeugten Schwulen, die bisweilen sexuell mit Frauen, sogar mit «Lesbierinnen» verkehren, oder das der «heterosexuellen Swingers», die beim Partnertausch manchmal auch gleichgeschlechtliche Partner «in Kauf nehmen», oder das der sexuell experimentierenden jugendlichen, oder der Strafgefangenen usw., usw.

Die anfängliche Kurzsichtigkeit der Epidemiologen war noch größer im Falle gleichgeschlechtlich verkehrender Frauen. So definierten z. B. die CDC eine Frau als Lesbierin, «wenn sie Sexualkontakt mit Frauen hat und seit 1977 keinen Sexualkontakt mit einem Mann hatte.41 Das schloß sogar die Mehrheit derjenigen aus, die sich selbst für lesbisch halten, gar nicht zu reden von der großen Zahl derer, die sich, bei gleichem Verhalten, nicht als lesbisch definieren. Selbst das vergleichsweise «weltkluge» Gesundheitsamt von San Francisco erkannte erst über zehn Jahre nach Beginn der AIDS - Epidemie, daß die Denkschablonen «homosexuell» und «bisexuell» zu falschen Schlüssen über das Infektionsrisiko von Frauen verführen. (Die in San Francisco tätigen Sexualwissenschaftler hätten dies den Beamten gleich sagen können, aber sie wurden nicht gehört.) So verkündete man erst 1993 offiziell die vorher verdrängte Einsicht:

«Frauen, die Sexualkontakt mit Frauen haben, zeigen eine Vielfalt sexueller Identitäten, persönlicher Eigenschaften und Verhaltensweisen, die sie einem HIV -Ansteckungsrisiko aussetzen. Gewöhnlich benutzt man die Begriffe «lesbisch» oder «bisexuell» zur Bezeichnung dieser Frauen, aber ihre Partnerwahl und ihr Sexualverhalten stimmt mit solchen Identitätsbeschreibungen keineswegs immer überein. Es gibt selbstdefinierte Lesbierinnen, die Sexualkontakt mit Männern haben, sogar für Geld, und es gibt Frauen, die sich als heterosexuell definieren und dennoch weibliche Sexualpartner haben. Frauen, die Sexualkontakt mit Frauen haben, können wenige oder viele Partnerinnen haben, sie können Mütter sein, Drogenabhängige, Akademikerinnen, Straßenprostituierte, Obdachlose oder Gefangene. Trotz dieser Verschiedenheiten können die jetzigen HIV - Statistiken sie zu dem Glauben verleiten, sie liefen kein oder nur ein geringes Ansteckungsrisiko»
Plötzlich besorgt, kam das Amt daher zu folgendem Schluß:
«Die hier beschriebenen Tatsachen zeigen, daß es problematisch ist, weitgefaßte Identifikationskategorien zu benutzen anstatt sich auf spezifische Verhaltensweisen zu konzentrieren, die ein HIV - Infektionsrisiko mit sich bringen. Unsere Versuche, im Rahmen der öffentlichen Gesundheit die Infektion mit HIV und anderen sexuell übertragbaren Krankheiten zu reduzieren, werden solange unzulänglich sein, wie wir unfähig bleiben, mit allen Teilen der Bevölkerung klar und deutlich über spezifische Verhalten zu sprechen» 43.

Angesichts solcher verspäteter Einsichten schienen die traditionellen Erhebungsbögen dann doch als etwas zu simpel. Es gab daher in einigen Ländern Versuche einer größeren Differenzierung. Sie liefen im Wesentlichen darauf hinaus, historisch und kulturell vorbelastete (d. h. ideologische) Begriffe wie «homosexuell» und «bisexuell» ganz zu vermeiden und nur einfach nach der Zahl der Sexualkontakte mit jeweils dem einen oder anderen Geschlecht zu fragen.

Quelle: http://www2.hu-berlin.de/sexology/GESUND/ARCHIV/DEUTSCH/BISEX.HTM#7


So aber jetzt geb ich endlich Ruhe mit dem Thema und verschone euch mit meinen merkwürdigen Gedankengängen.

Ist mir eigentlich auch gar nicht so wichtig und auch meine Theorien sind nichts weiter als Wirklichkeitskonstruktionen
 
Zuletzt bearbeitet:
Wovon willst Du mich eigentlich überzeugen? Dass die Anzahl der Männer, die sich zu anderen Männern hingezogen fühlt, annähernd vergleichbar ist jener Anzahl, die sich zu Frauen hingezogen fühlt?

Alle von Dir angeführten Beispiele mögen ja vorkommen, aber doch nicht als Massenerscheinung, oder gab es etwa bei den Indianern mehr Medizinmänner als Krieger? Oder glaubst Du wirklich, dass in der Türkei der Analverkehr zwischen Männern in etwa genau so oft vorkommt, wie der normale Geschlechtsverkehr zwischen Mann und Frau?

Nun wie auch immer, ich werde Dich von diesem Trip nicht abbringen, aber ich werde Dir auf diesem auch nicht weiter folgen.
 
Wikipedia schrieb:
Die Situation der Homosexualität stellt sich in den Quellen des klassischen Athens durchgehend als relativ eindeutig dar. Die Liebe eines älteren Mannes zu einem Jungen, der sich in der Pubertät befand, wurde geduldet und teilweise gefördert. Es gibt zahlreiche Gedichte, die solche Liebesbeziehungen zum Thema haben. Vasendarstellungen zeigen den Geschlechtsakt, aber auch den älteren Partner, wie er dem jüngeren Geschenke darbringt.

Die Rede des Aischines ist ein besonders wichtiges Dokument zur gleichgeschlechtlichen Liebe unter Männern. Timarchos wird vorgeworfen, sich in jungen Jahren prostituiert zu haben. Das heißt, dass er vor allem den passiven Teil in Beziehungen spielte. Dass ihm dies zu Last gelegt wurde, zeigt eindeutig die negative Bewertung. Nach athenischem Gesetz war es für einen Athener nicht erlaubt, sich zu prostituieren. Für Nichtathener gab es jedoch keine Einschränkungen und so kann es kaum verwundern, dass ein Großteil der männlichen Prostituierten in Athen Fremde waren.

Der aktive Partner beim Geschlechtsverkehr wurde also, da er als männlich galt, akzeptiert, der passive Partner moralisch verurteilt, da er eine vermeintlich weibliche Rolle übernahm, wobei der ältere Partner in einer Beziehung jeweils der aktive, der jüngere Partner der passive Teil war. Vor allem in Komödien wurden die passiven weiblichen Partner mehrmals zum Gespött gemacht, wobei es aber auch an der Sache an sich lag, dass Sexualität lächerlich gemacht wurde.

Um in Beziehungen die Ehre des jüngeren, passiven Teils zu wahren, wurde zumindest offiziell auf Analverkehr verzichtet und eher Schenkelverkehr bevorzugt. Dass dies nicht unbedingt der Realität entspricht, ist aus verschiedenen Quellen ersichtlich. So wird in der Vasenmalerei vor allem der Schenkelverkehr wiedergegeben, während in der Komödie der Analverkehr thematisiert wird.

Ich glaube es erübrigt sich das weiter zu kommentieren.
 
.....
So aber jetzt geb ich endlich Ruhe mit dem Thema und verschone euch mit meinen merkwürdigen Gedankengängen.

Ist mir eigentlich auch gar nicht so wichtig und auch meine Theorien sind nichts weiter als Wirklichkeitskonstruktionen

und dabei bleibt es.

überzeugen will ich niemand, höchsten zu neuen Gedanken anregen.
täte mir leid wenn das ärger auslöst.

mysmilie_341.gif
 
Lieber Pezi,

wir müssen mal genau aufdröseln wovon jeweils gesprochen wird. Spricht man über unterschiedliche Dinge, dann ist es klar, dass nicht einmal über die einfacheren Dinge geredet werden kann.
*
Ich kann nur von mir selbst sprechen und kann sagen, dass ich mich biographisch betrachtet auch nach 44 Jahren weder in dem Mustern: *
bi, hetero, homo, queer, transident usw. wiederfinde.*
Auch nicht wenn ich an die Partnerwahl denke.*
Wenn Du Dich in nichts davon wiederfinden kannst,*
a) hättest Du nie einen Partner/in gehabt
b) hättest keine Geschlechtsidentität
c) könntest du geschlechtslos und/oder asexuell sein
d) könntest Du nicht existieren
e) wärest vielleicht ein Fabeltier
f) ein virtuelles Konstrukt

Das kann ich alles nicht sehen und glaube es nicht. :) *(und darüber bin ich froh!)
**
Dass Du wahrscheinlich nicht TI bist, hatte ich mir fast gedacht, oder hegst Du den Wunsch als Frau zu leben, hast die Identität einer Frau etc.?

Wer legt den wann fest ob ich hetero, bi oder homo bin?
Niemand! Warum nur glauben Menschen immer, dass irgend-"wer" dahintersteht?*
Es regnet auch ohne dass da jemand den Schalter um legt.

Ist doch einfach, ein Kind versteht es schon:*
Liebst Du Frauen bist Du gynophil,*
liebst Du Männer biste androphil,*
kannst Du beides haben bist Du bi.

Und, wer weiß? - Vielleicht bist Du einer jener seltenen Menschen, die -durch welche Umstände auch immer - viel länger brauchen bis sich die sexuelle Orientierung setzt. Ja, und? Das ist doch prima, und steht in keinem Widerspruch zum vorher Beschriebenen

Wann es im Allgemeinen *im Leben festgelegt ist, dazu stand in dem zitierten Text etwas.

wo ist den da die Messlatte?

Mir widerstrebt es ja, Menschen als Messlatte zu bezeichnen, aber fest macht sich das offensichtlich an deinen Präferenzen und -entsprechend- Deinen SexualpartnerInnen.
*
Keine Ahnung. Ich weiß auch nicht, was du als Grenze meinst, oder was als Grenze zählen sollte.*
Die Zahl der grundsätzlichen Alternativen ist jedoch drei (bi, androphil, gynophil)


Wie oft muss ich z.b. bei der Selbstbefriedigung an Sex mit Paaren oder Männern denken um nicht mehr als hetero sondern als bi zu gelten? Wie oft darf als "homo" ich in Laufe meines Lebens auch mal eine Frau begehrenswert finden?
Das kann ich Dir nicht sagen, da ich nicht beurteilen könnte oder wollte, wann und ob bei Dir (oder einem anderen Menschen) der Prozeß der Ausbildung der sexuellen Orientierung abgeschlossen ist oder sein könnte.
Evtl. könntest Du einen Sexologen interessehalber befragen (Habermas taugt in solchen praxisnahen Menschenfragen wenig)*

[Fortsetzung folgt...]
 
Es geht also wieder mal um den Streit zwischen Konstruktivisten und Essentialisten (oder *zwischen Gender -sozial erworbenes Geschlecht und Sex - biolgisches Geschlecht)

Nicht wirklich.*
Es ging um Geschlechtsidentität und sexuelle Orientierung.*
Für beides gibt es inzwischen viele Anhaltspunkte, die nahelegen, dass diese Faktoren nicht sozial erworben werden, sondern dass eine biologische, physiologische Wurzel dafür erkennbar ist, die aber - immer schön vorsichtig - weiterer empirischer Stützung bedarf.

Die Theorie der sozialen Konstruktion, die wohl bei der Geschlechtsrolle und Geschlechtrepräsentation eine nicht unwichtige Rolle spielt, hat damit nicht zu tun.

Mir widerstreben persönliche Beispiele ("Mein Opa hat immer geraucht und ist nicht an Krebs gestorben." bringen die Qualmer gerne als persönlichen Beleg wie unschädlich das Gequarze doch ist.) - aber hier will ich doch sagen: Mir, wie zigtausenden transidenten wurde beinhart eine Erziehung im Geburtsgeschlecht aufgezwängt. Ich und viele andere MzFs haben gelernt welche Rolle einem *"richtigen Mann" zukommt. Schön sozial konstruiert! Nur klappte das nicht mit der Identität. Andere TI merken es seit sie denken können, bei wieder anderen bemerken Eltern und Verwandte etc. das das Kind einfach nicht in das sozial konstruierte Prokrustes-Bett passt. (der grausame Vergleich passt im übertragenen Sinne leider nur zu gut).
Noch einmal: Geschlechtsidentität und sexuelle Orientierung lassen sich durch Erziehung und Gesellschaft nicht ändern. Sie unterliegen nicht dem Mechanismus einer sozialen Konstruktion

Habemas schreibt dazu u.a.:

.... Alle sind sich einig, daß beim menschlichen Verhalten sowohl angebotene wie anerzogene Faktoren wirksam sind.

Hier tappt Habermas schon einmal kräftig in die Poppersche Falle. "Alle"? Es könnte ja sein, dass es Forschung gibt, die auch dem widerspräche.*

Zitiert Habermas auch nur einen naturwissenschaftliche, medizinische oder psychologischische Studie, die seine Annahmen in dem Feld belegen?*
Ich denke nicht. Er versteht nichts von diesen Wissenschaften.


Dann nochmals: Verhalten, d. h. Geschlechtsrolle - da bin ich geneigt Habermas recht zu geben.
Hier ging es aber um Geschlechtsidentität und sexuelle Orientierung, und es macht in diesem Text nicht den Eindruck, er verstünde etwas davon in seinem Elfenbeinturm.

Vielmehr geht es nun um fundamental verschiedene wissenschaftliche Ansätze bei der Definition des Forschungsgegenstandes.

Klar, und wer bestimmt in jeder Fachrichtung den Gegenstand? Die Fachrichtung selbst.
Und auch wenn Habermas ein Problem damit hat, und die sozialen Konstruktivisten auch, so lässt sich die Naturwissenschaft oder Medizin doch nicht vom Philosophen oder Sozialkonstruktivisten die Forschungsgegenstände diktieren.
Forschung ist frei, muss frei sein dürfen.

Es wirkt als ob Habermas hier eine komplett anti-aufklärerische Haltung einnimmt -Na, er ist ja auch schon mit dem Papa Ratzi gesehen worden, und hat den nicht für dessen in Kauf genommene millionenfache Aids-Massentötung in Afrika zur philosophischen Rechenschaft gezogen (Kondome sind Rom zufolge übel und verbreiten den zölibatären Herren zufolge Aids! Und dann kann man auch gemeinsam Homosexuelle negieren, oder?).*
Es lebt sich luftig im hohen Elfenbeinturm, wo man auf die vermeintlichen Niederungen der Naturwissenschaft und Medizin herabsieht. Und auf die der Menschen Schwule, Bi-nen, Lesben, - gelebte Menschenwelten - schön weg-konstruieren. Ich finde das hat etwas ungeheuer Unmenschlich-Bürokratisches... **

Die einen behaupten, einen in der Realität vorhandenen Gegenstand, «den Homosexuellen», zu studieren. Dessen «natürliche» Existenz wird von den andern jedoch bestritten. Damit ist jede Verständigung zwischen den Kontrahenten über die genaue Beschaffenheit des Gegenstandes unmöglich.
*
Und mit diesem sprachlichen, billigen Taschenspielertrick spielt er den Konstruktivisten in die Hände, die die homosexuellen Menschen damit wegkonstruieren wollen. Ob die das gern haben?
Ärgerlich, wie Habermas seine sonst unzweifelhafte Autorität, mißbraucht um eine kleine Minderheit wegzuerklären.
Ich finde hier ist Kaiser Habermas plötzlich sehr nackt.

Es ist wie bei Tunnelbohrern, die gleichzeitig auf den entgegengesetzten Seiten eines Bergmassivs (hier «homosexuelles Verhalten» genannt) anfangen, sich dann aber in der Mitte um Kilometer verfehlen. Sie haben einfach auf verschiedenen Ebenen gearbeitet.

Nachdem er erst die weg-Erklärung der Minderheit zuläßt, gibt es hier auf einmal doch "homosexuelles Verhalten". So ganz scheint dem Habermas es doch nicht geheuer mit der weg-Erklärung.

Statt Tunnelbohren geht es offenbar um philosophisches Bohren ganz dünner Bretter.

Pezi schrieb:
Dies scheint sich in klein gerade zwischen uns abzuspielen.
Das lässt mich vermuten, das für jeden von uns "seine" Theorie gerade wichtig zur Bestätigung seines eigenen derzeitigen Standpunktes, seiner Wirklichkeitskonstruktion und somit seines Tuns ist.

Offen gesagt, enttäuscht mich Dein obiges Statement ziemlich :-(
Aus meinen Postings geht des öfteren hervor, dass ich durchweg keine Theorien, Hypothesen, als für festgegründet ansehe, *WENN* bessere, besser belegte Erklärungsmodelle diese verändern oder gar zu Makulatur machen und mehr erklären.
Ich brauche keine Theorie zur Bekräftigung eines zuvor eingenommenen Standpunkts, sondern gründe meine Erkenntnis auf die einer Wissenschaftlerin grundsätzlich zukommende prüfende Skepsis.*
Wenn es Hypothesen oder Theorien gibt, die erkennbar plausibel sind, oder in der jeweiligen Wissenschaft von der kundigen Community (bis auf Widerruf durch bessere Erklärungsmodelle) als gesichert gelten, so kann ich mir diese (ggf temporär zu eigen mache).*

Was Du hier über meinen erkenntnistheoretischen Standpunkt anzudeuten versuchst, hat keinerlei Basis. Es ist falsch.*

noch einmal Habermas:

Wenn's denn schon wieder sein muss...
Maul... Der hat doch oben schon nichts Fundiertes zur Sache sagen können.

Wohlgemerkt: Die Konstruktionisten bestreiten nicht, daß es homosexuelles Verhalten gibt, aber sie leugnen, daß dies Verhalten einen bestimmten Menschentypus definiert.

Ja und?*
Ein bestimmter Menschentypus wird ja auch von Naturwissenschaftlern und Medizinern für ein bestimmtes Verhalten gar nicht postuliert. Homosexuelle kommen in allen Ausführungen :)

Wahrscheinlich ist dem Habermas nur noch nie die Idee gekommen, seine weg-Erklärungs-Fantasie auf einem HBT-Kongreß zu erproben. Er sollte sich dann eine Ritterrüstung dazu leihen ... *

Vielmehr kommt dieses Verhalten bei vielen Menschen selten, gelegentlich, häufig oder ständig vor; es verstärkt sich, schwächt sich ab oder verschwindet, und es existiert in vielen Fällen zusammen oder abwechselnd mit heterosexuellem Verhalten.

Da wird einfach behauptet, dass sich die Balken biegen: Er wird halt auch nur den alten Kinsey verschmökert haben, und neue Erkenntnisse werden ja immer gleich als "biologistisch "verketzert.

So macht sich eine Ideologie übrigens unangreifbar gegen Kritik.*
Mit Wissenschaft hat das nichts mehr zu tun.

Diese Beobachtung aber läßt wiederum jeden Versuch als sinnlos erscheinen, eine wie immer erschaffene körperliche Anlage zur Homosexualität in bestimmten Individuen zu lokalisieren.

Da die Beobachtung nicht verifiziert ist, wahrscheinlich nicht stimmt, ist die Schlußfolgerung genauso ungültig.
Und wieso maßt sich Habermas an, hier wieder zu bestimmen was zu untersuchen wohl "sinnvoll" sein könnte?

Schon die Auswahl einer entsprechenden Stichprobe und einer dazu passenden (gegensätzlichen) Kontrollgruppe wirft erhebliche Probleme auf, die aber von den meisten Naturforschern in erstaunlicher Naivität einfach ignoriert werden.

Und da wird's richtig Bodenniveau: Der arrogante, in diesen Texten anti-aufklärerische Herr Philosoph glaubt besser zu wissen als die "erstaunlich naiven" Fachwissenschaftler, wie man relevante Stichproben, Kontrollgruppen etc zusammenstellt.
"Erstaunlich naiv" ist da nur Habermas.

Wenn entsprechende Forschung betrieben wird, wird diese -auch die Methoden - veröffentlicht, damit die Ergebnisse, aber auch die Methoden kritisch analysiert werden können. Forschung setzt sich selbst der Kritik aus und ist grundsätzlich ergebnisoffen.*
Und wenn einem die Ergebnisse missfallen, muss man sagen, was falsch war, warum und wie man zu besseren Resultaten kommt.


Ich würde mich bedanken, wenn Schuster Habermas wieder nicht bei seinem Leisten bliebe, und auch in meinem Fachgebiet so offenbar unkundig der Grundlagen und Methoden sich äußern würde.

Das Habermas'sche Geplausche hier war doch nur peinlich, und ich verstehe nicht, Pezi, warum Du diesen nicht-Fachmann hier überhaupt so ausgiebig zitiert hast.

LG
Atalanta

PS:*
Ich habe großen Respekt vor Habermas' Lebensleistung, aber wenn er außerhalb seines Kenntnisrahmens spricht, muss es möglich sein ihn zu kritisieren wie jeden anderen.***
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Zurück
Oben