Nun, ich stand 1986 vor der Frage, und habe mich damals für den Wehrdienst entschieden, nicht leichten Herzens, aber letztlich war ich überzeugt, einen Beitrag zur Verteidigung und zur Wehrhaftigkeit leisten zu müssen.Es gibt ja einige hier im Forum, die anerkannte Kriegsddienstverweigerer, bzw. Zivildienstleistende waren. Ich wurde 1973 anerkannt, habe im Krankenhaus Zivildienst abgeleistet und habe mich immer als Pazifist eingeschätzt. In der momentanen Situation, die nicht ganz unerwartet, über uns hereinbricht, bin ich gezwungen meine Überzeugung auf den Prüfstand zu stellen. Und es geht mir nicht gut dabei . Es würde mich mal interessieren wem es ähnlich damit geht?
Was ich dann in diesen 15 Monaten erlebte, zeigte mir recht deutlich, dass wir eigentlich eine Spaß-Armee waren.
Ein Haufen von geltungssüchtigen Vorgesetzten, die über das "Gefechtsfeld" und die ausgefallenen Kameraden, die ausgeschalteten Feinde parlierten, ohne je auch nur den Hauch einer Idee davon gehabt zu haben, wie es sich wohl wirklich anfühlen würde, Menschen sterben zu sehen, oder gar selbst ums Leben zu bringen.
Bei einem "Unterricht" zum Thema "Versorgen von Verletzten auf dem Gefecktsfeld" brachte der Ausbilder uns bei, dass wir einem Kameraden, der aus einer Schußwunde stoßweise blutet einen Finger in diese Wunde stecken sollten, um die Blutung zu stoppen, und ich fragte interessiert nach, ob man dann nicht auch, wenn man sich schon auf diesem Gefechtsfeld befände, einen herumliegenden Finger eines Toten nehmen könne; war keine gute Idee...
Long story short, es war für mich eine absurde Episode und einige meiner "Kameraden" waren schon damals so schräg drauf, dass sie nicht für den Wachdienst eingeteilt wurden.
Einige Jahre später durfte ich für die bunte Wehr dann wieder arbeiten, dieses Mal in den etwas höheren Ebenen, es ging um die Programmierung von Tools um die haushalterische Seite der ganzen Wehrfähigkeit abzurechnen und zu dokumentieren.
Hatte ich nun erwartet, dass sich vielleicht in den Jahren etwas geändert hätte, oder die höheren Dienstgrade weniger martialisch daherkommen würden, wurde ich eines besseren belehrt.
Die gleichen Allmachtsphantasien sind auch in den höheren Kreisen verbreitet! Was der neue Leo, der Puma, der Tiger alles so kann, da wurde der "Gefechtsfeldpartner", auch wenn er nun nicht mehr ausschließlich aus dem russischen Raum kam, ganz schnell vom Menschen zum Ziel.
Inzwischen haben deutsche Soldaten an vielen Stellen in der Welt ihr Leben riskiert und gegeben (Euphemismus "on"!), das ist also nicht vergleichbar mit meinen 15 Monaten unsinniger Abstinenz von sinnvollem Leben.
Gäbe es die Wehrpflicht noch und ich wäre wieder 17, ich wüsste nicht, wie ich entscheiden würde. Angesichts des Überfalls der russischen Armee auf ein Nachbarland vermutlich wieder pro Wehrdienst, auch wenn das aus heutiger Sicht viel mehr Risiko bedeuten würde, denn letztlich ist es so, dass wir uns in Europa, speziell in Deutschland immer gern auf den großen hegemonialen Bruder aus Übersee verlassen haben.