Hallo,
wenn ich mich richtig erinnere, dann ging es gerade noch zu Anfang der Demonstrationen vor allen Dingen um zwei Dinge. Zum einen, dass sich das Bauprojekt selbst von der Planung bis zu Baubeginn wohl wesentlich verändert haben soll, zum zweiten, dass die Kosten für das Projekt massivst gestiegen sind.
Träfe dies zu, dann wäre ein Protest trotz des Ganges durch alle rechtlichen Instanzen gerechtfertigt, denn dann wären geplantes und tatsächliches Bauprojekt ja nicht mehr identisch.
Mithin wäre also die Frage zu klären, inwieweit diese beiden Punkte wahr sind. Dazu hat es nach Aussagen der Baugegner auch in den Instanzen schon großen Widerstand gegeben. Auch hier wäre zu klären, inwieweit dies stimmt und ob es bei allen Instanzen rechtlich einwandfrei zu Sache ging.
Zu der Gewalt in Demos gibt es ja verschiedene Aussagen. Dazu kommt, dass man Gewalt hier auch einmal klar definieren muss. So sagt zb die Polizei, dass eine Sitzblockade auch eine Form von passiver Gewalt darstellt, denn sie verhindert ja, dass man ohne Mühen das Baugelände absperren kann. Ich halte diese Sicht der Dinge für bedenklich.
Ob nun Demonstranten vereinzelt Steine geworfen oder irgendwelche Sprays benutzt haben, weiss ich nicht. Aber selbst die Polizei spricht hier eher von Einzelfällen. Selbstverständlich darf sich die Polizei wehren, wenn sie angegriffen wird. Selbstverständlich darf sie gegen Demonstranten vorgehen, die sich illegal auf einem Gelände befinden. Aber: Sie muss bei all ihren Aktionen darauf achten, dass die die Verhältnismässigkeit der Mittel bewahrt. Und hier liegt in meinen Augen das Versagen der Polizei. Selbst wenn es einige Demonstranten gegeben haben sollte, die zuerst irgendeine Form von Gewalt gegen die Polizei ausgeübt haben, dann hätte man sich um diese allein kümmern sollen. Ein Recht, Wasserwerfer und irgendwelche Sprays gegen die Masse einzusetzen, kann man daraus nicht ableiten. Denn der Polizei war und ist klar, dass sie damit gegen zum absolut überwiegenden Teil unschuldige, gewaltfreie Menschen vorging. Auch frage ich mich, mit welchem Recht man junge Menschen mit Gummiknüppeln bearbeiten darf, während diese von der Sitzblockade weggetragen werden ( ohne dabei die Polizei anzugreifen ).
Diese Filmchen, die beiden Seiten nun ins Netz gestellt bzw zb die Polizei auf einer Pressekonferenz gezeigt haben, taugen aus meiner Sicht nicht viel zur Aufklärung. Denn es sind immer nur kleine Ausschnitte, die aus dem Zusammenhang gerissen wurden. Wirklich beurteilen könnte man das Ganze erst, wenn man die ganze Demo einmal komplett aus verschiedenen Blickwinkeln sehen könnte.
Interessant ist sicher die Frage, ob es bei den Demos wirklich nur um den Bahnhof und die Folgen des Umbaus geht, oder ob noch andere Sachen die Leute auf die Straße treiben.
Ich glaube, dass zu den eigentlichen Gegnern von Stuttgart 21 inzwischen auch andere Demonstranten gekommen sind. So hat zb Frau Merkel mit Blick auf die Landtagswahl im nächsten Jahr sich in die Diskussionen um Stuttgart 21 eingeschaltet und klar Position für das Projekt bezogen. Auch tragen Äußerungen dieser Dame dazu bei ( Ob Stuttgart 21 gebaut werden soll oder nicht werden die Bürger bei der Wahl im kommenden Jahr entscheiden ), dass sich immer mehr politische Felder dranhängen an den Banhof.
Ich befürchte, inzwischen tummeln sich neben Bahnhofsgegner auch viele Gegner der Bundesregierung.
Wie soll es nun weitergehen?
Ich denke, man sollte einmal wirklich die Pläne bzgl des Bauumfangs und der Kosten offenlegen und diese mit den urspünglich genehmigten Plänen vergleichen. Stimmt da alles überein und gab es keine Pannen in den Genehmigungsinstanzen, dann müssen es sich die Bürger gefallen lassen, dass sie zu spät reagiert haben und damit eigentlich das Recht auf Widerstand verloren haben.
Hat sich jedoch das Projekt wesentlich verändert oder lief bei den Genehmigungsinstanzen nicht alles rechtmässig ab, dann müsste man tatsächlich einen Baustopp anordnen. Denn dann würde ja etwas anderes als das Genehmigte gebaut werden und das wäre rechtswidrig.
Heiner Geisler ist ein guter und intelligenter Mann. Sicherlich ist er eine gute Wahl als Vermittler. Man kann nur hoffen, dass beide Seiten auch wirklich ein Interesse daran haben, alles aufzuklären und sich zu einigen.