Hallo Placebo,
ich möchte hier mal zwischen Deinen Zitaten antworten:
Hallo Tommy,
grunsätzlich sind wir uns scheinbar einig, dass die Erinnerung sich vielfach an Merkmalen festmacht und nicht an Namen.
Allerdings bin ich der Auffassung, der "Große mit der Brille" ist für mich kein Zuornungsmerkmal, denn ab wieviel Zentimeter ist ein Mann groß und wieviele Männer tragen eine Brille? Für mich bleiben eher die Sachen in Erinnerung, sei es positiv, wenn Du mal eine leckere Mahlzeit für mich zubereitest hast oder halt die negativen Dinge, zum Beispiel der mit den Segelohren (ist nur ein konstruiertes Beispiel, ich kenne Deine Ohren nicht). Selbst wenn Du stängig mit einem roten Kopf rumläufst stellt doch keiner die Frage, schämt der sich für etwas oder hat der Bluthochdruck, ok, vielleicht der Arzt oder eine Dir nahestehende Person, aber hier geht es ja um die Erinnerung.
Vieles ist eine Sache der Wahrnehmung und auch der persönlichen Einstellung.
Was ich mit meinem Post sagen wollte, war in erster Linie, dass sich Menschen in der Regel immer das Auffälligste Merkmal eines Menschen für die Erinnerung raussuchen und nicht unbedingt das, welches man sich wünschen würde.
Das ist ganz normal und völlig unabhängig vom Strumpfhosentragen. Somit ist es natürlich logisch, dass ein solches Detail sicherlich in den Köpfen hängen bleibt. Wenn man das nicht will, muss man den Anblick für andere eben vermeiden.
Darüber sollte sich jeder klar sein.
Meine Meinung ist jedoch, dass es eben NICHT unbedingt negativ ist, wenn sich Menschen daran erinnern. Genauso wenig, wie sich irgendjemand daran stört, von seinen Mitmenschen in die Modelleisenbahnfan-Schublade gesteckt zu werden.
Geht Deine Frau mit Rock, Nahtstumpfhose und hohen Pumps aus dem Haus, kommt es vielleicht zu Zustimmung, vielleicht zur Frage, was hat die denn heute vor, und schon wird zur Tagesornung übergegangen. Verlässt Du das Haus in dem gleichen Outfit, ist das nicht nur die Sensation des Tages, sondern das brennt sich in den Köpfen ein, selten im positiven Sinn. Selbst wenn der erste es noch gut findet, macht Dein Erscheinen die Runde, irgendwann schlägt sich das ins Negative um.
Zwei Personen, eine Familie, ein Outfit und doch ein himmelweiter Unterschied sind für mich ein Zeichen, dass wir Lichtjahre von einer kleidungstechnischen Gleichstellung entfernt sind, auch wenn Du Dich dadurch selber entwickeln und nicht in Dein Schneckenhaus zurückziehen möchtest.
Wenn meine Frau in einem solchen Outfit rausgeht, wird sie natürlich viel Zustimmung (meistens sicherlich von Männern) aber bestimmt auch einiges an Ablehnung ernten (vermutlich meistens von Frauen). Das wird aber meine Frau und auch die meisten anderen Frauen sicherlich nicht davon abhalten dies trotzdem zu tun, wenn Sie einfach Lust dazu haben. Denn mit den ablehnenden Personen muss man sich ja nicht abgeben. Frauen sehen das vermute ich mal also etwas lockerer.
Genauso würde ich in einem solchen Outfit auch negative Meinungen abbekommen. Bloß als Mann hat man dann gleich automatisch Existenzängste, plötzlich nicht mehr als vollwertiger, ernst zu nehmender Mensch wahrgenommen zu werden.
Und das passiert meiner Erfahrung nach eben nicht!
Die Gesellschaft ändert man nicht. Auch nicht, wenn man in seiner Stadt jeden Tag in Rock und Strumpfhosen auf und ab rennt. Man kann nur sich selbst und sein Denken ändern. Und wenn man das tut, lebt man nicht schlechter als vorher.
Klar werden sich einige Menschen von einem abwenden. So what? Entweder steht man für seine Prinzipien ein, mit allen Konsequenzen oder man fügt sich der grauen Masse und versucht mit dem Strom zu schwimmen.
Das muss jeder für sich entscheiden. Und hier ist der Unterschied zum Modelleisenbahnfan-Beispiel: In dem einen Fall kann man sich einfach entscheiden, es nur noch geheim im Keller zu betreiben, wenn man damit schlecht ankommt. In dem anderen Fall ist es eben meistens mehr als ein Hobby. Es ist keine Sucht, wie in einem anderen Thread von Dir beschrieben, sondern es ist eher ein inneres Bedürfnis seine Persönlichkeit frei ausleben zu können. Und wenn man diesen Teil von sich selbst unterdrückt und versucht unter einem ganzen Haufen "Normalität" zu begraben, ist das auf Dauer sicher nicht gesund. Das Maß dafür ist natürlich bei jedem Menschen ein anderes. Der eine ist froh, wenn er einmal pro Monat abends vor dem Fernseher eine Strumpfhose tragen kann und ein anderer will sich nicht in seine eigenen 4 Wände einzwängen lassen.
Und damit komme ich zu Deinem letzten Zitat:
Das Leben ist in meinen Augen zu kurz, um sich einen Makel auf Lebenszeit zuzulegen, da pfeif ich auch auf Akzeptanz und Toleranz, Hauptsache, ich fühle mich selber in meiner Feinstrumpfhose wohl und erfreue mich öffentlich an anderen Dingen.
Gruß Placebo
Du hast völlig Recht! Das Leben ist zu kurz. Aber es ist zu kurz, um sich selbst zu verleugnen und damit zumindest unterbewusst unglücklich zu sein. Irgendwann, bevor man ins Gras beißt wird man dann vielleicht bereuen, nicht das im Leben getan zu haben, was man eigentlich wollte. Und daher nochmal: Veränderung gibt es nur im eigenen Kopf, aber nicht in der Gesellschaft (zumindest nicht in der "Friede, Freude, Eierkuchen-Variante", die sich alle wünschen).
PS: Und danke für das Volkswagen-Beispiel. Das ist ein schönes Beispiel. Allerdings in meinen Augen nicht für deine Argumentation. Denn ja, der negative Makel bleibt erstmal im Gedächtnis. Aber wie lange? Ich denke, die Autos haben sich nicht deswegen so gut verkauft, weil sie es so lange ohne Skandal geschafft haben, sondern weil sie eben wirklich gut sind. Und das wird sich früher oder später wieder durchsetzen.
Und genauso kann (nicht muss) ein guter Mensch, der Strumpfhosen trägt auch weiterhin bei seinen Mitmenschen positiv in Erinnerung bleiben.
Gruß Tommy