Im echten Leben kann man in der Fussgängerzone an einem Stand der "Zeugen Jehovas" vorbeigehen. Warum geht das hier nicht?
Das mit dem "vorbeigehen" stimmt ja schon, zunächst mal. Aber es ist halt doch noch was anderes dabei.
Stell Dir vor, Du vertrittst gemeinsam mit einer Gruppe Gleichgesinnter eine Sache, die in der Gesellschaft stark umstritten ist. Du gehst mit den Leuten auch immer wieder auf öffentliche Veranstaltungen, um dort Werbung dafür zu machen.
Nun verhalten sich dummerweise einige von Deinen Begleitern immer und immer wieder so ungeschickt, dass die außenstehenden Leute nur noch den Kopf schütteln und schlecht darüber reden und sich in ihrer Meinung bestätigt fühlen - nämlich dass es sich um eine Sache handelt, die
zurecht stark umstritten ist. Ganz einfach, weil die Leute, die das verfechten, immer und immer wieder ein schlechtes Bild abgeben. Traurig für denjenigen, der das größere ganze sieht und sich eigentlich wünschen würde, dass im Interesse aller etwas erreicht wird. Oder dass man doch zumindest nicht so sehr negativ auffällt, wenn man irgendwo erscheint.
Ganz ähnlich ist es für mich bei Forenbeiträgen wie dem weiter oben verlinkten.
1. ist der Beitrag deplaziert: es handelt sich um einen Fetischbeitrag in einem Forum, das kein Fetischforum ist - somit ist er dort unerwünscht, und die unbedarfte Leserschaft ist bereits irritiert.
2. ist er vom Inhalt her "eigenartig": man kann ja schreiben, dass man es schade findet, dass so viele Frauen es nicht verstehen können, wenn Männer High Heels tragen wollen. Aber man sollte es dann nicht einfach so stehen lassen; ein solches Statement ohne weitere tiefergehende Erörterungen erweckt doch den Eindruck, dass dieser Autor in gewisser Hinsicht von den verständnislosen Frauen erwarten würde, dass sie ihre Meinung ändern sollen. Das ist aber völlig realitätsfremd und kann bei einem Leser, der sich sonst nicht mit der Materie befasst, nur Befremden auslösen. Auf keinen Fall wird eine einzige Frau durch ein solches Statement zu einer toleranteren Sichtweise gebracht werden. Eher im Gegenteil.
3. wird durch die Ausschmückung durch die Erzählung von der Selbsterfahrung, die dann noch den größten Teil des Beitrags einnimmt, der Eindruck erweckt, dass das einleitende Statement nur als Aufhänger für diesen Erfahrungsbericht in den Raum geworfen wurde. Nichts gegen Erfahrungsberichte, aber im Modebereich in einem allgemeinen Lifestyleforum ist sowas doch ebenso deplaziert wie überhaupt der ganze Beitrag.
Wer in einem Strumpfhosenforum einen Beitrag über Strumpfhosen und High Heels schreibt, liegt bestimmt nicht falsch. Er ist hier unter Gleichgesinnten. Ein allgemeines Lifestyleforum ist aber eine andere Welt. Hier kommt der Aspekt der
Außenwirkung zum tragen. Wie verkaufen sich die Männer, die sich gerne mal aus dem Kleiderrepertoire des anderen Geschlechts bedienen? Als reflektierte Schreiber, die wissen, wo ihre Meinung gefragt ist und wo nicht und die einen Ton treffen, der von der Umwelt gut aufgenommen wird und somit der gemeinsamen Sache hilft, damit sie an gesellschaftlicher Akzeptanz gewinnt? Die wissen, wie man eine Sache in der Öffentlichkeit so günstig präsentiert, dass andere auf eine
für sie nachvollziehbare Weise davon erfahren können? Das wäre toll!
Die Wirklichkeit sieht anders aus. Gerade die strumpfhosentragenden Männer geben ein geradezu jämmerliches Bild ab in den öffentlichen Internetforen. Wenn man sich mal ein paar Stunden Zeit nimmt, zu lesen, was da so alles geschrieben wird, könnte man geradezu verzweifeln. Finde ich zumindest! Da wird gejammert, es werden weltfremde Erwartungen gestellt, hanebüchene Vergleiche herangezogen, und, und, und. Männlicher Stolz, reflektiertes Denken und selbstbewusster Pioniergeist sind in den wenigsten Beiträgen zu finden. Was vielleicht daran liegt, dass die Leute, die wirklich etwas relevantes zu sagen hätten, sich nicht die Zeit nehmen, sich in solchen Foren aufzuhalten und dort ein paar Dinge richtig zu stellen.
Jetzt bin ich mal selbstkritisch und schaue auf das, was ich hier geschrieben habe. Ich rede von einer "gemeinsamen Sache", die es möglicherweise gar nicht gibt (oder die von vielen Leuten nicht als solche wahrgenommen wird). Und ich stelle vermutlich zu hohe Ansprüche.
Dennoch sind das hier meine Gedanken, auch wenn ich damit vielleicht übers Ziel hinausschiesse (was daran liegen kann, dass ich immer ziemlich emotional werde bei dem Thema).