[...]Mir geht es um die Frage warum man Männer in jüngeren Jahren nur selten im Rock oder anderweitig mehr oder weniger femininer Kleidung sieht. Denn letztlich scheinen auch hier in unserer erlauchten Runde die Männer, die weiter als Männer zu erkennen sind, und sich aber dennoch per Bild in femininer Kleidung zeigen die 50 locker erreicht bzw. überschritten zu haben. Oder wie seht ihr das soweit?
Hallo Gotti,
die Erfahrung habe ich auch schon in anderen Mode-Foren oder anderen Fragerunden machen müssen.
Mit 15 muss man sich beweisen, ein echter Junge zu sein;
mit 20 muss man sich beweisen, schon ein echter Mann zu sein,...
Kumpels, Frauen, ... Beruf und Karriere,... auf der anderen Seite die mehr oder weniger direkte Gesellschaft (Familie, Nachbarn, Freunde, usw.)
Man passt sich an und fügt sich ein, und man beweist sich und der Welt, was man doch für ein toller Kerl ist.
Heirat, Kinder, Haus im Grünen, der PS-Bolide in der Garage...
Da ist lange Zeit (für viele - und solange der Leidensdruck nicht so groß ist), kein Platz "Weiberkram" - so gerne man das auch selber trägt, shoppt und sammelt.
Hinzu kommt ebene auch die Zeit.
Noch in den 80ern waren Ohrringe nur für Zimmerleute und Künstler vorbehalten; Tätowierungen nur bei Seefahrern oder Ex-Knackis zu finden.
Da musste man sich den Ohrstecker schon mit Sprüchen wie "links cool, rechts schwul" absichern, um zu zeigen, dass man auf der "richtigen" Seite steht.
Und heutzutage: geh mal ins Schwimmbad und zähle mal, wieviele Leute ü20 da nicht getackert und angemalt sind.
Mein Jüngster (0er-Jahrgang) ist da ganz anders mit aufgewachsen. Da ist das überhaupt kein Thema, wer sich da wie zu LBGTQ+ bekennt.
Da ist auch für CIS-Leute der CSD ein farbenfrohes und "ganz normales" Spektatkel - gut so!
Ich hingegen habe seit kleinauf (so ab Vorpubertät) meine Faszination für Feinstrümpfe, Stöckelschuhe und schöne Kleider entdeckt und musste sie verstecken und unterdrücken.
Für mich war gerade das Internet endlich Balsam für die Seele - endlich viele Leute, die genauso "nicht normal" sind, die auch einfach nur schöne Sachen schön finden.
Letzten Endes hat mir eben auch das Internet (und nicht zuletzt auch das eigene Forum) sehr geholfen, damit vernünftig umzugehen und irgendwann auch den Schritt auf die Straße zu wagen und dies sogar im Büro zu wagen - bishin zum Auftritt mit Pumps und Rock (samit schwarzer FSH, 20den) bei der Firmen-Weihnachtsfeier.
Weil es mir in gewissem Rahmen auch egal ist.
Ich fahre kein Auto, um den Nachbarn zu beeindrucken;
ich renne auch nicht jeden Sonntag in die Kirche, um meine Frömmigkeit zu beweisen
und ich kann mittlerweile meinen Chef/ die Firma verklagen, wenn ich das Gefühl habe, aufgrund meiner von der Norm abweichenden, weiblich konnotierten Kleidung, benachteiligt zu werden - das gab es früher halt auch nicht.
Insofern bin ich der LBGTQ+ Community durchaus dankbar und finde es wichtig zu zeigen, dass auch CIS-Heten die Norm verlassen dürfen und Schubladen sprengen und Schranken durchbrechen.
Im Nachhinein wäre ich gerne schon mit 15 durch die Welt gestöckelt; im Cockatil-Kleid zum Abiball gegangen, usw.
Aber das schien für mich vollkommen abwägig und utopisch.
Wie gesagt: heutzutage ist mir das vollkommen egal, ob man mich für schwul oder bescheuert hält,
wenn ich mit rosa Pumps und rosa Hoodie durch die Stadt laufe oder zur Weihnachtsfeier der Reservisten mit High Heels auflaufe...
In jungen Jahren: unvorstellbar!
Ich denke, das geht vielen so. Auch wie die Partnerin dazu steht - mit 20 lässt man sich vielleicht noch sagen "deine Sammlung - oder ich!".
Mit 50 wählt man vielleicht nicht mehr das ein oder andere Extrem, sondern macht sein Ding - zur Not auch ohne Partnerin.