Hallo,
natürlich bin ich auch für die Offenheit in einer Beziehung und wenn eine solche Beziehung gesund ist und beide Seiten auch in der Regel die Möglichkeit haben, ihre Wünsche und Vorlieben zu äussern, dann ist das toll.
Aber was ist, wenn dem nicht so ist ? Was ist, wenn man zwar schon im grossen und ganzen glücklich ist als Mann mit der Partnerin, aber man dabei auch weiß, dass man gewisse Dinge aussparen muß, weil man aus anderen Situationen weiß, dass sie dafür kein Verständnis haben wird. Kein Mensch, egal ob Mann oder Frau, wird immer zu 100 % glücklich und zufrieden sein in der Beziehung. Jede Seite muß ja auch Kompromisse schließen, um zb ein Zusammenleben zu ermöglichen. Kompromiss heisst aber auch Verzicht. Das muß natürlich nicht immer weh tun und es ist ja auch eine Abwägung. Man verzichtet auf das oder das, bekommt dafür aber etwas anderes, was einem vielleicht viel mehr bedeutet.
Ein konkretes Beispiel :
Zu einer Zeit, als ich noch nicht mein Outing hatte, kam ich mit einer Frau zusammen. Wir waren beide sehr ineinander verliebt, wir hatten zwar jeder eine eigene Wohnung, lebten de fakto aber in meiner zusammen. Schon sehr schnell merkte ich, dass meine Freundin zwar ziemlich regelmäßig Strumpfhosen anzog, aber das es für sie ein reines Kleidungsstück war und niemals mehr sein würde. Diese Einstellung fußte unter anderem auch auf ihre Erziehung ( ihre Mutter ist streng katholisch ). Einmal saßen wir zb abends zusammen auf dem Sofa und schauten einen Film, in dem eine Frau in Dessous einen Mann verführte. Dabei äusserte meine Freundin ganz von sich aus, dass sie so etwas ablehnen würde, für sie wäre Sex etwas, was nackt stattfindet. Ansonsten hatte sie ein ziemlich festes Männerbild, in das ein Mann, der Strumpfhosen mag oder gar selber trägt, nicht hinein paßt.
In einer solchen Situation überlegt man als Mann natürlich, ob man sich da outen soll. Im kokreten Fall hätte das das Ende der Beziehung bedeutet. Also habe ich abgewägt, was mir denn mehr bedeutet, die Vorliebe für Strumpfhosen oder die Liebe zu meiner Freundin. Letzteres überwog eindeutig. Dazu kam, dass mir der Verzicht nun nicht so schwerfiel, denn das, was ich sonst an positivem dafür bekam, war viel schöner als mein Verlust durch den Verzicht.
In der Zeit unserer Beziehung habe ich vielleicht ein Dutzend mal eine Strumpfhose angehabt. Streng genommen hab ich ihr natürlich über meine Vorliebe nicht die Wahrheit gesagt. Aber warum soll ich eine ansonsten gute Beziehung kaputt machen ? Nur, damit ich zu 100 % offen war ?
Es findet immer eine Abwägung statt. In diesem Fall war mir meine Freundin und unsere Beziehung deutlich wichtiger als meine Vorliebe für Strumpfhosen. Und wenn sich diese Vorliebe dann ansonsten in Grenzen hält, dann finde ich das bisschen Heimlichkeit nicht schlimm.
Natürlich ist es eine Frage der Ausprägung der eigenen Vorliebe. Es zu geniessen, ab und an mal eine Strumpfhose zu tragen ist sicher etwas anderes, als einen heftigeren Fetisch zu haben und zb beim Sex mit der Freundin permanent etwas zu vermissen.
Insofern fällt es mir schwer, immer diese Offenheit gegenüber dem Partner so generell zu fordern. Wenn sie möglich ist, dann natürlich. Aber man sollte sich schon die Gegebenheiten genau anschauen und abwägen.
Gruß
Moreau