Suche nach Normalität

teka

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Ruhrgebiet
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Nimm dich in acht, wenn du durch Deutschland fährst und die Wahrheit unter dem Rock trägst." B.Brecht - Leben des Galilei

Trotz hochentwickelter Form, trotz kulturellem Erbe, das international Seinesgleichen sucht, ist es unserer Gesellschaft bislang nicht gelungen das Individuum als solches wahrzunehmen.

Nein, wir sind einfach noch nicht so weit - wir brauchen sie immer noch, die Kategorien. "Schau mal, ein Schwuler, ein TV, ein Pfarrer, eine Nonne, ein Penner...."
Wir wollen die Menschen einordnen können, wir sind erst dann beruhigt, wenn wir wissen, was tun, was sie vorhaben und wie sie reagieren - vor allem wenn sie sich verhalten, wie wir es nicht gewohnt sind und/oder sich anders kleiden als wir.

Angst regiert allenthalben, Angst vor dem Anderssein, Angst vor dem Wahnsinn, vor dem Verrückten, dem wir jederzeit und überall begegnen können und auch die Angst vor dem eigenen Wahnsinn, dem Augenblick, die Situation nicht mehr kontrollieren zu können.
Daraus resultiert auch das Bedürfnis auf keinen Fall uneinschätzbar zu werden, etwas zu sein, was den Menschen Ungewißheit lässt , etwas zu tun was die anderen nicht kennen,(obwohl wir ja gar nicht wissen, was sie kennen und was nicht).
Wir haben Angst zu zeigen, dass wir anders sind.
Da tun wir es lieber heimlich, nach dem Motto besser heimlich verrückt als offensichtlich Irre.
Da hat Brecht schon Recht, die Wahrheit die ich kenne ist nicht die Wahrheit, die die Gesellschaft gezeigt bekommen möchte.

Jeder ist anders verrückt, jeder weiss das, aber die Neigung sich das selbst einzugestehen ist nicht besonders stark ausgeprägt, weil es Tief in jedem Individuum keine Normalität mehr gibt mit der es sich messen könnte.
Das Bedürfnis sich seinen Trieben, seinen Leidenschaften, seinen Süchten, seinen Gewohnheiten exessiv hinzugeben, das steckt in jedem von uns - doch wir tun es nicht.
Wir suchen die Normalität, schaffen moralische Werte, suchen Verantwortung und definieren sie für uns - unsere ganz spezielle Verantwortung, die uns nicht nur Sicherheit sondern auch Schutz vor uns selbst gibt, vor dem Abbtauchen in die Unendlichkeit unserer Leidenschaften, vor der Gefahr des Wahnsinns und dem Schutz vor der Selbstzerstörung.

Die Suche nach der Normalität ist der Weg in die eigene Sicherheit, alles was normal ist, ist einschätzbar - schafft für uns eine Kategorie in der wir uns wiederfinden und den anderen einschätzen können.
Deshalb scheint es ja für alle, auch die, die ja eigentlich etwas Besonderes sind, so wichtig zu sein, ihre eigene Normalität zu definieren - und ihre Kategorie.

Es grüßt teka
(aus der Kategorie der strumpfhosentragenden Männer)
 
Hallo teka,

schön dass hier seit ein paar Tagen wieder der ein oder andere gute Beitrag von Dir zu lesen ist, ...nach fast 10 Monaten Stille :unsure:

...wobei ich es eher genieße, wenn der ein oder andere "Kategorisierungs-Versuch" meiner Mitmenschen sichtbar scheitert.:cool:

Grüße vom Ingolf <---Öffentlich-Strumpfhosen-und-Shorts-trangende-Männer-Fraktion :D

PS Weißt Du evtl. was aus dem Fran(k)z vom S1-Forum geworden ist, habt Ihr noch Kontakt? Falls ja, dann grüß doch bitte mal...
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
ich weiß nicht.
sicherlich ist das was Teka beschreibt, als Erscheinungsform oft vorhanden,
aber je länger ich den Text lese, um so mehr erkenne ich auch die Wirklichkeitskonstruktion dahinter und die stört mich.
Ich frage mich ist das wirklich so oder kann ich auch andere Wirklichkeiten erkennen?

Am meisten stört mich dabei das Wörtchen "wir"
(Der Text liest sich auch nochmal ganz anders, wenn man das Wort "wir" mit dem Wort "ich" ersetzt.)

All diese Verhaltensmuster gibt es, auch mir sind sie nicht fremd,
vielleicht hat sogar jeder sie schon mal gespürt und angewendet.
Aber immer?
Gibt es da keine Ausnahmen?

Da gibt es z.b. viele junge Menschen, die suchen nicht Normalität sondern sich selbst.
Da gibt z.B. es reife Menschen, die sich selbst gefunden haben und gut d.h. ohne Angst mit ihrer Form des "Anders" sein, umgehen können.

Ich glaube nicht das "wir" Normalität suchen.
(Ich glaube übrigens auch nicht das Normalität vor "exzessiver Hingabe" schützt. Eher im Gegenteil, z.B. Suchtverhalten scheint sehr normal zu sein)
Vielleicht ist das ja bei jeden anders und bei jeden mal so und mal so.

Aber. Wenn es so was wie ein kollektives Wir gibt, dann meine ich,
suchen "wir" nicht Normalität, sondern Akzeptanz und Zugehörigkeit. Man könnte es auch Liebe um seiner Selbst willen nennen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Normalität oder Konformität?

Schon öfters schrieb ich, normal ist das was die Masse für normal halten will. Deshalb würde ich auch nicht von Normalität sondern von Konformität sprechen. Jeder der wegen was auch immer aus dieser Konformität ausbricht, sich der Gleichschalterei verweigert, sein eigenes Ding macht, sei es FSH oder Rock tragen, oder CD oder TV oder gleich TI ist, oder einer bestimten Szene zuordenbar ist, z.B. Gothik, wird sofort in eine Schublade weg von der Masse gesteckt. Mit dem kann, eher will die Masse keinen direkten Kontakt haben. Nur deren Voyeurismus dürfen wir dann bedienen. Aber dabei vergisst die Masse, das sie sich erst über uns ihrer Gleichschaltung vergewissern kann. Nur durch uns "Paradiesvögel" definiert sich ihre "Normalität". Nur stellt sich die Frage wie "normal" sind die "Normalen" in ihren eigenem privaten Raum?
 
Schon öfters schrieb ich, normal ist das was die Masse für normal halten will.

Nicht so ganz...
Es gibt schon maßgebliche Gruppen in unserer Gesellschaft, die für ihr maßgebliches Tun vom "normalen" Menschen ausgehen, Mediziner zum Beispiel, Politiker auch ganz gerne, Juristen ohnehin. Past du da nicht rein, dann hast du ein mehr oder minder grosses Problem. Ob die Massen der Gesellschaft jemanden für normal halten oder nicht, ist völlig unbedeutend, wenn Mediziner und Juristen dein Verhalten bewerten - da zählt nur normal oder unnormal entsprechend ihren Kategorien.

Mir hat jedenfalls noch nie jemand vorgeworfen, ich sei nicht konform. Aber der Einwand, dass das was ich tue nicht normal sei, der kommt schon sehr häufig.

Grüße
teka
 
Wenn wir uns selber gefunden haben,
dann stellen wir vielleicht fest, dass wir "anders" sind.
Aber wirklich helfen tut uns das in dieser Gesellschaft nicht.
Gerade in speziellen Berufszweigen ist da eher Schweigen angesagt.
Ist Anderssein manchmal auch Alleinsein?
Jeder sucht nach Liebe, Verständnis und Geborgenheit, auch die sogenannten Anderen,
die aber dann doch oft sehr allein sind, auch wenn neben Ihnen eine Menge Menschen tagtäglich stehen.
 
Gruppendynamik

Den von Dir genannten Gruppen, @teka, geben WIR die Macht maßgeblich zu sein. Sei's durch Wahlen sei's daß wir ihnen die Legitimation dazu einfach übertragen.
Diese Gruppen stellen selber ihren eigenen Querschnitt der Bevölkerung dar, ebenso sind sie ein Querschnitt der Bevölkerung, soll heißen, auch bei ihnen gibt es die gleichen Prozentsätze an Nichtkonformen aller Couleur.
Daß diese Gruppen der Masse das Wort reden,wie solls denn anders sein, wie solls man ihnen verdenken. Sie wollen weiter maßgeblich bleiben und ihre Legitimation erhalten sie eben von der Masse.
Und wie Du selber feststellst, "normal" ist für die Masse das Synonym für "konform". So braucht die Masse nicht über sich selber reflektieren, das Wort "normal" hat für sie etwas beruhigendes.
 
Ich glaube, so wie Curly auch, dass der Mensch primär nicht nach Normalität, sondern nach Anerkennung, nach Zuneigung und nach Wertschätzung strebt. Das mit der Norm konforme Verhalten ist dabei wohl nur Mittel zum Zweck, weil sich viele Mitmenschen mit Zuneigung und Wertschätzung recht schwer tun, wenn jemand von der Norm abweicht.

Ich glaube weiters, dass man Normalität manchmal gar nicht anstreben kann, selbst wenn man es will, weil man ja an den eigenen Gegebenheiten, wie beispielsweise psychischen Störungen, Zwängen, Neurosen, oder auch nur Marotten, oder einfach Vorlieben, nicht so ohne weiters vorbeikommt und trotzdem wünscht man sich, wenn man selbst davon betroffen ist, Wertschätzung und Anerkennung durch seine Umwelt.

Somit ist die Normalität ein Vehikel, mit dem das Ziel der sozialen Integration vergleichsweise einfach erreichbar ist. Das heißt aber wohl nicht, dass es nicht noch andere, möglicherweise beschwerlichere Wege gibt, auf denen man ans Ziel kommen kann, speziell wenn man nicht in der Lage ist den Weg der Normalität zu beschreiten, oder auch, wenn man diesen nicht beschreiten will.
 
Glubt nicht, dass sie sogenannte Masse "normal" ist, sie bekennen sich halt nicht dazu
 
Liebe Leute,
ich denke wie Zaubermaus auch nicht, das die Masse normal ist, nur, sich nach außen Normal zu zeigen und anderen nach dem Mund zu reden, ist die einfachste Form
durchs Leben zu kommen.
Wenn wir dazu das Gehirn ausschalten und lieber eine Flasche Bier aufziehen,
kommen wir ziehmlich Streßfrei und mehr oder weniger Gradlinig ans Ziel.

Gruß an Euch
harry
 
Hallo zusammen.
Ich bin doch sehr erstaunt wie einfach man zu einem "Urteil" gelangt.
Die "Masse" giebt sich normal.
Was ist normal? Wo beginnt normalität und wer definiert sie?
Für uns ist in erster Linie normal was wir sind.
Das kennen wir,das ist für uns keine Gefahr.
Manche Verhaltensweisen,bedürfnisse und Ansichten sind für viele Menschen gleich.
Beispiel: Die Anatomie des Menschlichen Körpers.
Wir erwarten zwei Arme zwei Beine einen Kopf.
Wie erstaunt wären wir,sähen wir einen Menschen mit drei Beinen.
Aber alle Menschen sind verschieden und so wird es immer verschiedene normalitäten geben.
Übrigens:Das Gegenteil von "Normal" ist "ungewöhnlich",so kann man für normal auch gewöhnlich sagen;Also an das ich mich gewöhnt habe.
Die Mehrheit der Menschen hat sich schlicht noch nicht daran gewöhnt,daß es Menschen mit einer besonderen Vorliebe für feine Damenstrümpfe,-strumpfhosen giebt,geschweige denn Männer die diese Damenwäsche auch noch tragen.
Also nicht gleich in die Luft gehen...
Gruss
Andi17
 
Möglicherweise ist es tatsächlich so, dass ein jeder seinem Pläsierchen in irgendeiner Form nachgeht....Ungewöhnliche Verhaltensmuster beschränken sich ja nicht ausschließlich auf das Tragen von origineller Kleidung.

Konfrontationsvermeidung dadurch zu erreichen, dass man seine Marotten für sich behält halte ich aber für absolut respektabel, keinesfalls würde ich einem solchen Verghalten mit Abwertung begegnen...Immerhin geht es hier um die höchstpersönliche Privatsphäre der betroffenen Person.

die Masse
normal
die Gesellschaft
die anderen

das sind alles sehr schwammige Begriffe, die gerne verwendet werden, nicht nur um sich einzuordnen, sondern auch um sich abzugrenzen.

Ihr glaubt, ihr seid nicht normal, weil ihr ungewohnte Kleidung tragt?

HAAAA!!!

Steht ihr morgens früh auf, geht eurem Tagwerk nach, esst ihr drei Mahlzeiten am Tag, putzt ihr euch die Zähne, schaut ihr ab und zu fernsehen, benutzt ihr regelmäßig einen Staubsauger, zahlt ihr Steuern, ...

Aha. Ihr seid sowas von "normal"....

Jede Abweichung von dem, was die meisten tun, führt zu Bewertungen.

Das ist nichts prinzipiell schlechtes.
Es führt zu Kommunikation und Austausch, vielleicht sogar zu einer Erweiterung des Horizonts, sei es der eigene oder der des Gegenüber.

Und ich bin ganz sicher, wenn man nicht von vornherein von der Ablehnung seines Umfelds ausgeht, dann wird zumindest ein Teil der "anderen" ihre Chance wahrnehmen und euch respektieren und schätzen.

Ich weiss es.

Ich war auch mal "die anderen"






SiSi <--- immer interessiert an kreativen Beziehungs-Modellen
 
Hallo!

Sehr interessantes Thema!

Ich mach das leidenschaftlich gerne bei Gesprächen wo mehrere sind wenn irgendwann kommt...hast den oder die gesehen die spinnt die ist nicht normal......

dann frag ich was ist nicht normal?

ja schau Dir die Person an wie die oder der sich kleidet usw. ...

dann frag ich immer bist Du normal???

ja sicher....

ich wieder und wer sagt das Du normal bist nur weil Du machst was die Gesellschaft will.....

im Herzen willst Du ganz anders sein und beneidest im Stillen Ihre Courage
weil Sie Ihr Leben leben...und nicht das der Gesellschaft....

und ich denk uns geht es allen mal so das wir Die unnormalen manchmal beneiden den die kümmert es einen Dreck was wir denken....

sie leben und sind glücklich!!!

lg.hotwomen
 
ich finde, hier passt der Spruch rein, den ich mal irgendwo gelesen oder gehört habe ...weiss ich nicht mehr so genau...

" Ihr lacht über mich, weil ich anders bin als Ihr? Ich lache über Euch, weil Ihr alle gleich seid."

Gruß spree
 
Ihr beschreibt mir laufend warum ich den Begriff "normal" für uns für nicht zutreffend halte. Mein Verhalten, CD, ist für mich sehr wohl normal, nur eben nicht für die Gesellschaft, also nicht konform.
Nur wird eben lieber der Begriff "normal" bzw. "nicht normal" benutzt um Abweichungen zu charakterisieren.
In anderen Dingen sind wir wieder konform, z.B. Steuerzahler, 3Mahlzeitenesser, 2x am Tag Zähneputzer. Oder auch wieder nicht...
 
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