Kommentare zu Geschichten

Ich hab zur Veranschaulichung meiner Verbesserungsvorschläge die Geschichte ein wenig modifiziert.

Steht unter dem Originaltext im Geschichten-Fred.

HF

SiSi <--- bemüht sich um konstruktive Kritik :)
 
Hallo

Da ich ein eigens Internetprojekt mit ein paar Leuten betreibe, wo es um Literatur (aber eher um Phantastik) geht, kann ich mal folgende Tipps zur Verfügung stellen, die ein hauptberuflicher Autor mal für uns aufgeschrieben hat:

(1) Erst die Action, dann die Reflection.
Figuren sollten zuerst handeln und dann darüber nachdenken, was sie getan haben, nicht umgekehrt. Wenn du deinem Leser vorher sagst, wie die Figur reagieren wird, wird er die Handlung langweilig finden, weil er bereits weiß, wie er dabei empfinden soll.

(2) Schnelle Handlung, kurze Sätze.
Schnelle Szenen erfordern kurze Sätze. Längere Sätze sind für langsame Szenen, Beschreibungen und Reflexionen geeignet. Allgemeiner ausgedrückt: Es sollte ein sinnvolles Verhältnis zwischen Handlungszeit und Lesezeit geben. Dazu gehört auch, dass man unwichtige Dinge nicht im Detail beschreibt.

(3) Zeigen ist besser als Schreiben.
Figuren lassen sich leichter dadurch charakterisieren, was sie tun und wie sie handeln, als durch das, was sie denken. Der Leser sollte in die Lage versetzt werden, sich selbst vorzustellen, wie eine Figur aussieht. J.R.R. Tolkien ist ein Meister in der Hinsicht: ein abgewetzter Schwertgriff oder ein gemütlicher Stuhl beschwören eher ein Bild herauf als eine detaillierte Beschreibung der Kleidung oder des Zimmers.

(4) Jede Szene hat drei Sinne.
Filme beruhen auf visuellen und akustischen Reizen. Ein Autor hat den Vorteil, dass er alle fünf Sinne ansprechen kann: Sehen, Hören, Berühren, Riechen, Schmecken. Wenigstens drei von ihnen sollten an jeder Szene beteiligt sein. Eine Rauchsäule kann man nicht nur sehen, man kann sie vielleicht auch hören, riechen oder sogar den Geschmack auf der Zunge spüren. Insbesondere das Riechen spricht eine sehr tief liegende Schicht des Gehirns an – jeder Junge mit einer katholischen Erziehung wird automatisch auf den Geruch von Weihrauch reagieren, ob er will oder nicht.

(5) Jede Figur hat ihre Farbe.
Das ist eigentlich ein Rat von Altmeister James Fenimore Cooper: Wenn du zwei Heldinnen hast, mach die eine blond und die andere brünett. Figuren sollten sich stärker unterscheiden als Menschen im wirklichen Leben. Wenn alle deine Figuren zweisilbige Namen haben, die auf »–er« enden, wird der Leser nicht in der Lage sein, sie zu unterschieden – oder sich später an sie zu erinnern.

(6) Helden muss man mögen.
Die Hautfigur muss nicht unbedingt im moralischen Sinne gut sein, aber er (oder sie) muss jemand sein, mit dem der Leser sich identifizieren kann. Doch wenn deine Hauptfigur einen Charakterfehler hat, sollte es etwas sein, dass für die Handlung relevant ist, nicht nur eine Feder in seinem Hut. Und es sollte ihm nicht die Sympathien des Lesers verscherzen.

(7) Dialoge sind Gespräche.
Der Hauptzweck von Dialogen ist soziale Interaktion, nicht der Versuch des Autors, irgendwelche Informationen rüberzubringen. Wenn du zu viele Fakten in die Dialoge hineinpackst, wirken sie künstlich. Wenn du kein Naturtalent als Dialogschreiber bist, versuch deine Dialoge laut zu lesen (oder lass sie dir vom Computer vorlesen). Gute, taffe Dialoge findest du bei John Le Carré. (Und wo bleibt die Stimme des Erzählers? In den Adverbien, sagt Umberto Eco.)

(8) Reden ist Silber.
»›Ich weiß nicht‹, zuckte er die Achseln« ist einfach schlechter Stil. »›Ich weiß nicht‹, zuckte er bedauernd die Achseln« ist noch schlimmer. »›Ich weiß nicht‹, sagte er« ist okay, auch wenn es da viele mögliche Varianten gibt. (Zu viel Variation in dieser Hinsicht macht einen Text freilich trivial.) Eine Sprecherkennung sollt ein Verb beinhalten, das etwas mit Sprechen zu tun hat. Es gibt einen Grenzbereich mit Verben, die Tiergeräusche bezeichnen – knurren, bellen, etc. -, doch die sollte man sparsam verwenden. Häufiger, als man glaubt, lassen sich Kennungen einfach weglassen. Hemingway macht das dauernd.

(9) Absätze sind für die Augen.
Ändere nie die innere Perspektive – das heißt, durch die Augen einer Figur sehen und ihre Gedanken kennen – innerhalb eines Absatzes. Dafür sind Absätze da. Wenn du einen Meister der Absatzgliederung bei der Arbeit sehen willst, lies James A. Michener.

(10) Szenen haben eine Stimmung.
Figuren, die innerhalb einer Szene zwischen verschiedenen Stimmungen hin und her hüpfen, wirken unglaubwürdig und unsympathisch. Du darfst die Stimmung einer Figur in einer Szene einmal ändern, wenn dies die Entwicklung der Geschichte erfordert, oder zweimal, wenn es nicht anders geht. Alles darüber hinaus ist ein Konstruktionsfehler.

(11) Bleib im Bilde.
Ein Bild bewirkt mehr als tausend Worte. Aber vermeide gemischte Metaphern – nach dem Motto: »Auch über diese Wunde wird der Zahn der Zeit Gras wachsen lassen.« Wenn du dich in einer bestimmten Bildwelt bewegst, halte dich daran – genauso wie das Prädikat keine Handlung bezeichnen darf, die das Subjekt gar nicht ausführen kann.

(12) Tu, was du sagst.
Wenn du eine Figur auf eine bestimmte Weise beschreibst, muss sie auch dementsprechend handeln. Wenn er getroffen wird, tut ihm was weh – und zwar länger als nur ein paar Seiten. Wenn er hinkt, kann er nicht rennen. Wenn sie :)-)) raucht, wird sie husten. Einige Autoren schreiben Biografien ihrer Figuren oder führen Interviews mit ihnen, um sie besser kennen zu lernen. Zumindest eine Autorin, die ich kenne, entwirft für jede Figur ein Horoskop, damit diese konsistent reagiert.

(13) Nimm deinen Leser ernst.
Sei ehrlich mit deinem Leser. Unzuverlässige Erzähler, die den Leser anlügen, gehören in eine andere Kategorie von Literatur. Unterhaltung verträgt Satire, und man darf dabei auch mal lachen, aber Ironie kann gefährlich sein und zeugt oft von eigener Unsicherheit. Nicht alles, was du witzig findest, findet auch dein Leser witzig. Wenn du nicht nur für dich schreibst, sondern so, dass andere es lesen sollen, verliere nie deinen Leser aus dem Blick.

Diese Regeln gelten in erster Linie für Unterhaltungstexte. Sie sind keine in Stein gehauenen Gesetze. Du kannst jede einzelne von ihnen ignorieren, wenn du einen guten Grund dafür hast. Aber wenn du es tust, sei gewarnt!

Copyright der Tipps von Dr. H. W. P***** (Name hab ich mal zensiert...) für den GS (Name des Internetprojektes auch zensiert) (2007)

(SiSi kennt die Seite ;) )
 
Jaaaa, SiSi kennt die Seite und findet sie sehr gelungen!


Zu Leitfäden dieser Art habe ich allerdings meine eigene Philosophie.

Zweifellos, alles, was da drin steht, entbehrt nicht einer grossen Portion Wahrheit, jedoch bleibe ich der Meinung, dass Schreiben ein Talent ist, welches man entweder hat oder eben nicht.

Für´s Singen gilt das gleiche: Entweder man trifft die Töne und es klingt gut oder man kann sich ein Bein ausreissen und es wird nix.

Relativierenderweise muss ich sagen, dass man sich bis zu einem gewissen Grad verbessern kann, wenn das Talent nicht ausreicht...Böse Zungen behaupten, John Grisham sei so ein Fall (was ich aber nicht beurteilen kann, da ich nie einen Grisham gelesen habe).

Aber niemals wird jemand, der es auf diese Art und Weise versucht, so gut werden wie jemand, der aus dem Bauch heraus und mit Herz schreibt, ohne dafür Anleitungen und niedergeschriebene Regeln zu benötigen.



Und noch etwas, zum Thema lernen:

Irgendwo hab ich mal einen Spruch gehört, der ging etwa so:

Wer´s kann,
der macht es,
wer´s glaubt zu können,
der lehrt es.





SiSi <--- hat jetz jenuch jefachsimpelt und wird sich nun eine heissssssse Zitrone aufgiessen. Prost!
 
Ganz gewiss braucht man Talent fürs Schreiben - zumindest wenn es um sprachlich und inhaltlich einigermaßen ansprechende Texte geht. Talent benötigt aber auch hier (wie in allen anderen Bereichen) Schulung und Ausbildung. Das geschieht unter anderem durch Lesen von Texten, die einen literarischen Wert besitzen, also ein höheres sprachliches Niveau aufweisen als Arztromane oder Comics. Selbst Autoren von Bestsellern verfügen mitunter über erschreckend geringe sprachliche Ausdrucksmöglichkeiten. Mir als Sprachfetischist (noch ein Fetisch *seufz*) stößt so etwas immer ganz übel auf.

In meiner Teenagerzeit habe ich Werke von Schriftstellern wie Kafka, E.T.A Hoffmann, Siegfried Lenz usw. verschlungen, aber auch B. Traven, Jack London oder Bukowski geliebt. Da bekommt man schon einges an Schreibstilen mit. Allerdings ist Sprache nicht viel mehr als das elementare Werkzeug des Schreiberlings, und auch hier gilt, dass die Beherrschung des Werkzeugs unabdingbare Voraussetzung für die Erstellung des Werks ist. Für die Erkenntnis, dass es da draußen in der Welt auch anders geht, genügt ein Blick in eine beliebige Zeitung. Was man da an sprachlicher Rohkost vorgesetzt bekommt, liegt einem oftmals schwer als unverdaulicher Brocken im Magen.

Damit jedoch noch lange nicht genug. Die Erstellung einer guten Erzählung (gleich welcher Wortanzahl) benötigt viel mehr Arbeit als allgemein angenommen wird. Ein guter Autor erstellt vor dem eigentlich Aufschreiben sorgfältig einen Plot, der in sich absolut stimmig ist. Das heißt, er notiert sich den gesamten Handlungsablauf mit allen Hintergrundinformationen, und zwar unabhängig davon, ob diese Informationen in der Erzählung überhaupt Erwähnung finden. Dazu gehören auch Charakterisierungen der beteiligten Personen, genaue Zeitabläufe und vieles mehr. Erst wenn das alles perfekt aufgestellt ist, geht es an den Prozess des Schreibens.

Zu großartigen Ergebnissen führen Unterlassungen beim Aufstellen des Plots regelmäßig beim Lieblingsgenre vieler Hobbyautoren - dem allseits beliebten Krimi. Da folgt dann schon mal der Dienstag auf den Mittwoch, der Hauptaugenzeuge hat den Mord vor dessen Ausführung entdeckt und dergleichen Ungenauigkeiten mehr. Und wenn man sich dann irgendwie in die Geschichte verrannt hat und keine Auflösung in Sicht ist, dann taucht von irgendwoher ein Mr. X auf und outet sich als Täter. Krimis habe ich noch nie gemocht, und die wenigen schlechten, die ich konsumiert habe, haben mich in meiner diesbezüglichen Abstinenz nur bestätigt.

Selbst wenn dann die Geschichte endlich aufgeschrieben wurde, ist noch lange nicht Schluss mit der Arbeit. Ganz im Gegenteil, dann geht es erst richtig los. Mir geht es immer so, dass ich beim Lesen des "fertigen" Textes Millionen von kleinen Macken entdecke. Sprachliche Ungenauigkeiten, unnötige Füllwörter, falsche Ausdrücke sind da noch die kleinen Problemchen, die man so nebenbei ausmerzt. Mitunter muss man ganze Passagen neu formulieren, weil man feststellt, dass man nicht das hingeschrieben hat, was man eigentlich sagen wollte. Selbst beim hundersten Lesen fallen zumindest mir in meinen Texten noch immer kleine Stellen auf, die man verbessern könnte. Nun gut, irgendwann muss man vielleicht auch loslassen können in dem Bewusstsein, dass Perfektion ohnehin nicht erreichbar ist.

Was ich eigentlich damit sagen will: eine "Geschichte" knallt man nicht einfach mal so aufs Papier. Eine gute Geschichte braucht viel Arbeit und handwerkliches Können. Das heißt nicht, dass Hobbyautoren es lieber sein lassen sollten, aber man muss sich (mitunter schweren Herzens) schon richtig einordnen. Ratgeber für "richtiges" Schreiben mögen an der ein oder anderen Stelle durchaus eine Hilfe oder wertvolle Erinnerung sein, im großen und ganzen stimme ich da aber eher SiSi zu, dass ausgebildetes Talent mit Herz und Verstand gepaart zu den schöneren Ergebnissen fühern wird.

Gruß
Morx
 
Hallo Morx,

Danke für Deinen ausführlichen Kommentar.
Aber heißt das jetzt, das dir meine Geschichte gefallen hat? Oder soll das heißen
"lass mal lieber einen schreiben, der wesendlich mehr davon versteht"?

Gerd
 
Lieber g.mutabor,

ich wäre der Letzte, der dir empfehlen würde, das Schreiben anderen zu überlassen. Wenn du Spaß daran hast, dann solltest du es auch nicht unterlassen. Ob deine Geschichten das Zeug zum Bestseller haben oder ob sie sich mit den großen Werken der Weltliteratur messen können, spielt da zunächst nicht die geringste Rolle. Allerdings muss man in seinen Zielen auch realistisch bleiben. Wer sich ein paar Jahre lang leidlich durch den Geigenunterricht gequält hat, wird nicht unbedingt die Voraussetzungen zum ersten Violinisten im Staatsorchester erfüllen und darf deshalb eher nicht damit rechnen, viele Tonträger mit seinem Gefidel zu verkaufen. Ausnahmen bestätigen da allerdings leider gelegentlich die Regel. Das meine ich ausdrücklich nicht auf deine Geschichten bezogen sondern ganz allgemein. Wenn du dich da einigermaßen zutreffend einordnest und dir keine unerreichbaren Ziele steckst, dann kannst du das Schreiben auch ganz ohne unnötigen Druck in jeder Hinsicht genießen. Meine Intention war lediglich, ein paar Hinweise zu geben, wieviel Arbeit in einer guten Geschichte steckt und wie man als Autor dafür Sorge tragen kann und sollte, dass die ganze Story schlüssig und stimmig ist. Also nicht viel mehr als ein kleiner Tipp, worauf man allgemein beim Schreiben achten kann.

Was nun ganz konkret deine Geschichten angeht, so kann ich leider nicht viel dazu sagen, weil ich sie nicht kenne. Die Geschichten stehen im 18+-Bereich, für den ich keinen Zugang besitze. Jedenfalls noch nicht. Wenn sich das ändert, werde ich mich regelrecht auf deine Werke stürzen.

Jedenfalls solltest du unbedingt weiter schreiben, solange es dir gefällt und es dich danach drängt, dich auf diese Weise mitzuteilen. Schreiben erfüllt immer verschiedene Funktionen, es nutzt dem Schreiber ebenso wie dem Leser. Auch beim Schreiben gilt, dass Übung sicherlich nicht schadet, und konstruktive Kritik (wie ich sie hier in einigen Beiträgen lesen konnte) bringt dich weiter, wenn du darüber nachdenkst und das Beste für für daraus entnimmst. Lass dich auf jeden Fall nicht entmutigen. Lust und Leidenschaft sind entscheidende Antriebsfedern fürs Schreiben, wenn du so oder ähnlich empfindest, dann kannst du nur gewinnen, wenn du nicht damit aufhörst. In diesem Sinne: öl die Tastatur und hau rein!

Gruß
Morx
 
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