Gericht kippt Transsexuellengesetz

Daphne

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weiblich
Das gefühlte Geschlecht

Von Heribert Prantl

Die Karlsruher Richter haben das Transsexuellengesetz für verfassungswidrig erklärt. Der Gesetzgeber darf Betroffene nicht mehr zwingen, dass diese sich vor einer Änderung des Rechtsstatus einer operativen Geschlechtsumwandlung unterziehen.

Das Bundesverfassungsgericht hat die wesentlichen Bestimmungen des Transsexuellengesetzes für verfassungswidrig erklärt. Eine Frau oder ein Mann muss sich künftig nicht mehr die Geschlechtsteile entfernen oder umformen lassen, "um die personenstandsrechtliche Anerkennung im empfundenen Geschlecht zu erhalten".

Es sei, so sagten die höchsten deutschen Richter, unzumutbar, von einem Transsexuellen zu verlangen, "dass er sich derartigen risikoreichen, mit möglicherweise dauerhaften gesundheitlichen Schädigungen und Beeinträchtigungen verbundenen Operationen unterzieht, wenn sie medizinisch nicht indiziert sind, um damit die Ernsthaftigkeit und Dauerhaftigkeit seiner Transsexualität unter Beweis zu stellen".

Transsexualität wird als "Leiden am falschen Körper" definiert. Das deutsche Transsexuellengesetz (TSG) gilt seit 1. Januar 1981. Sein voller Titel lautet: "Gesetz über die Änderung der Vornamen und die Feststellung der Geschlechtszugehörigkeit in besonderen Fällen". Es soll Frauen, die sich als Mann und Männern, die sich als Frau empfinden, die Möglichkeit geben, in der zu ihnen passenden Geschlechtsrolle leben zu können.

Kleine und große Lösungen

Das Gesetz sieht eine so genannte kleine Lösung vor, die es unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt, den oder die Vornamen zu ändern. Die so genannte große Lösung ändert nicht nur die Vornamen, sondern auch die Eintragung im Personenstandsregister. Nach der kleinen Lösung wird zwar beispielsweise aus "Erich" "Ingrid" - aber dahinter bleibt vermerkt "männlichen Geschlechts". Dieser Eintrag wird erst durch die große Lösung verändert, also nach einer operativen Geschlechtsumwandlung.

Dieser Eintrag ist aber allein ausschlaggebend für die die Ehe oder die nichteheliche Partnerschaft. Voraussetzung einer Eheschließung ist die Verschiedengeschlechtlichkeit der Ehegatten. Voraussetzung für die Lebenspartnerschaft ist, dass die Lebenspartner dem gleichen Geschlecht angehören.

Die große Lösung, also die Änderung der Eintragung "männlich" oder "weiblich" im Personenstandsregister, setzte bisher voraus, dass die Person, die die Änderung beantragt "dauernd fortpflanzungsunfähig" ist und "sich einem ihre äußeren Geschlechtsmerkmale verändernden operativen Eingriff unterzogen hat, durch den eine deutliche Annäherung an das Erscheinungsbild des anderen Geschlechts erreicht worden ist". Der operative Eingriff gilt als nicht ungefährlich; nach den Operationen muss lebenslang eine Hormontherapie durchgeführt werden.

Diese Vorschriften der "großen Lösung" hat der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts in einem jetzt veröffentlichten und sorgfältig begründeten Urteil vom 11. Januar für unvereinbar mit der Menschenwürde und dem Recht auf körperliche Unversehrtheit erklärt. Die entsprechenden Passagen des Transsexuellengesetzes wurden mit sofortiger Wirkung aufgehoben; sie sind bis zum Inkrafttreten eines neuen Gesetzes nicht mehr anwendbar. Das Urteil erging mit sechs zu zwei Stimmen, zwei Richter haben also dagegen gestimmt.

Gesetz folgt nicht den Erkenntnissen der Wissenschaft

Das Urteil verweist darauf, dass das Bundesverfassungsgericht schon in seiner Entscheidung vom 6. Dezember 2005 festgestellt habe, dass das Transsexuellengesetz nicht dem heutigen wissenschaftlichen Erkenntnisstand entspricht. Es könne "nicht mehr davon ausgegangen werden, dass das Vorliegen ernsthaft und unumstößlich empfundener Transsexualität allein daran festgestellt werden kann, dass der Betroffene mit allen Mitteln bestrebt ist, seine Geschlechtsorgane und -merkmale als Irrtum der Natur durch operative Geschlechtsumwandlung zu korrigieren".

Die Dauerhaftigkeit und Irreversibilität des empfundenen Geschlechts eines Transsexuellen lasse sich nicht am Grad einer operativen Anpassung der Geschlechtsmerkmale messen, sondern daran, "wie konsequent der Transsexuelle in seinem empfundenen Geschlecht lebt und sich in ihm angekommen fühlt". Operationen könnten nur ein Indiz sein, aber nicht mehr. Das Verlangen des Gesetzgebers nach einer Operation sei eine "übermäßige Anforderung".

Die höchstrichterliche Entscheidung hat eine 62-jährige Frau erwirkt, die als Mann geboren worden ist, einen männlichen Vornamen erhalten hat, sich aber als Angehörige des weiblichen Geschlechts empfindet.

Sie ist homosexuell orientiert und lebt in Partnerschaft mit einer Frau. Sie hat nach den Vorschriften des Transsexuellengesetzes ihre männlichen Vornamen in weibliche Vornamen geändert (so genannte kleine Lösung). Eine Änderung des Personenstandes (große Lösung) wurde aber nicht vorgenommen; sie wird jedoch hormonell behandelt.

In der Geburtsurkunde steht, trotz Änderung der männlichen Vornamen in weibliche, weiterhin "männlichen Geschlechts". Als die Frau daher die Eintragung einer Lebenspartnerschaft begehrte, lehnte das Standesamt Berlin dies ab - weil eine Lebenspartnerschaft nur für zwei Beteiligte des gleichen Geschlechts eingetragen werden könne. Rechtlich sei aber die Antragstellerin noch immer ein Mann.

Dieses Recht wurde nun vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt. Der Gesetzgeber muss die rechtlichen Anforderungen an eine Veränderung des Geschlechts in den amtlichen Registern neu definieren.

Quelle: Gericht kippt Transsexuellengesetz - Das gefhlte Geschlecht - Politik - sueddeutsche.de

Daß ich wegen dieser Meldung ein paar Freudentränchen vergossen habe, dürfte klar sein, oder?:eek:
 
So langsam tut sich was in diesem Land und es wird Zeit , ist nur zu hoffen das nicht irgendwer in Berlin dieses Gesetz bzw. den Richterspruch kippt ?!
 
Sehr gut! - Endlich ist diese zwangsgebundene Maßnahme wenigstens erfasst und hoffentlich weiterhin verstanden worden.

Durch die dauerhafte hormonelle Behandlung, können gesundheitliche Risiken entstehen, die in keinem Verhältnis zu einer Änderung in dem Personenstandsregister stehen.

Außerdem wird es den Empfindungen nicht gerecht, wenn man eine Partnerwahl bürokratisch beurteilt und demnach noch nicht einmal eine Lebenspartnerschaft eintragen lassen kann. Mag sein, dass eine Hochzeit problematischer beurteilt würde, aber einer Lebenspartnerschaft?


Lg,
Miri
 
Ja Daphne das kann ich verstehen das du da freuden Tränen hattest endlich tut sich mal was :))))
 
Das ist doch mal wirklich ein gutes Urteil und tolle Nachricht für alle Betroffenen! :)

Freut mich für dich, liebe Daphne.
 
Ein kleiner Schritt in die richtige Richtung, ..., aber bei weitem noch nicht die ganze Schlacht gewonnen. Aber zumindest macht es Hoffnung für die Zukunft.

Aber was nützt das beste Gesetz, wenn der Behördenvertreter voller Vorurteile ist? Kenne da aus einem anderen Forum einige Stories von Betroffenen. Aber dennoch hoffe ich, dass die Neufassung des Gesetzes (bin da mal sehr gespannt, wie lange die sich in Berlin mal wieder Zeit lassen) allen Betroffenen neuen Mut verleiht.
 
Hallo ihr lieben,
ich bin mit der Freude da ganz ganz vorsichtig...., da solch Gesetz fix wieder gekippt werden kann und wie jeder weiß passiert sowas in Berlin ganz schnell,leider.
 
Ein wenig Freude ist durchaus angebracht und erlaubt.

Freilich, ich als Österreicherin kann nur von unseren Gesetzen reden. Aber es ist zweifelsohne eine Welle durchgegangen.

Ich steh ja selbst kurz vor der VÄ / PÄ.

Wenn es interessiert kann ich ja weiter darüber berichten.

lg,
christina
 
Von der wahrscheinlichen Rückständigkeit des Gesetzgebers abgesehen, könnten böse Zungen auch behaupten, dass eine Änderung des rechtlichen Status von "Mann" zu "Frau" ohne operative Umwandlung Tür und Tor für jene öffnet, die als Frau früher in Rente gehen wollen.
Ich weiß, ein absurdes Beispiel, aber das ist ein Argument, dass es auch zu entkräften gilt.
 
Lieber nylonstring,

1) Damit die VÄ / PÄ auch wirklich rechtlich durchgeht, muss man erhebliche Gründe vorweisen können. Und ich meine wirklich erhebliche Gründe.

Wie z,B. in meinem Fall soziale Benachteiligung, Zwangsoutings, und Diskriminierung.

Es kann nicht irgendwer daherkommen, und dies einfach beantragen.

2) Du bist schlecht informiert.

Das Rentenalter ändert sich bei MzF Transidenten nach der Personenstandsänderung NICHT !!

Zumindest ist es hier in Österreich so.

3) Und überhaupt: Diese PÄ / VÄ ist für Betroffene eine ausserordentlich wichtige Sache, und darüber machen wir keine Witze.

lg,
christina
 
Um ehrlich zu sein, berührt mich das Thema so gar nicht, allerdings ist mir von Berufs wegen eine MzF, die in der Szene recht aktiv, wenn nicht sogar eine der Vorreiterinnen in Österreich ist, vom Sehen bekannt (und die Witzchen meiner Kollegen auch...). Von daher wollte ich nur meine zwo Cent zu der Sache geben, weil ich, was Transidentität angeht eben wohl eine den Durchschnitt eher repräsentierende Sichtweise habe, und man sich wohl für die Argumente und Denkweise der Gegenseite wappnen sollte, will man etwas erreichen.
Mit gegenseitigem Goderlkraulen (sorry für die Nichtösterreicher...) in der eigenen Minderheit beeindruckt man nämlich niemanden Außenstehenden.

Das war meine eigentliche Motivation für diesen Post - schön auch zu sehen, dass du eben diese stumpf/dämlichen Argumente recht zügig verwerfen konntest, genau darum geht es nämlich.
 
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