fundstücke in romanen und lyrik ...

antoniamayr

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So wie es in ganz normalen Filmen (vgl. Nyloninfilm.com) immer wieder Strumpf- und Strumpfhosen-Szenen gibt, finden sich solche auch in ganz normalen Büchern und in Gedichten. - Ich starte hier mal eine Sammlung ....

Oh: Und bitte - Keine Pornokram oder Erotikgeschichten. Lasst uns hier die subtile, alltägliche Erotik in ihrer literarischen Entsprechung zusammentragen.

Gottfried Benn: Untergrundbahn

Untergrundbahn

Die weichen Schauer. Blütenfrühe. Wie
Aus warmen Fellen kommt es aus den Wäldern.
Ein Rot schwärmt auf. Das große Blut steigt an.

Durch all den Frühling kommt die fremde Frau.
Der Strumpf am Spann ist da. Doch, wo er endet,
Ist weit von mir. Ich schluchze auf der Schwelle:
Laues geblühe. Fremde Feuchtigkeiten.

O, wie ihr Mund die laue Luft verpraßt!
Du Rosen-hirn, Meer-blut, du Höherzwielicht,
Du Erdenbeet, wie strömen deine Hüften
So kühl den Hauch hervor, in dem du gehst!

Dunkel: nun lebt es unter ihren Kleidern:
Nur weißes Tier. Gelöst und stummer Duft.

Ein armer Hirnhund. Schwer mit Gott behangen.
Ich bin der Stirn so satt. Oh, ein Gerüste
Von Blütenkolben löste sanft sie ab
Und schwellte mit und schauerte und triefte.

So losgelöst. So müde. Ich will wandern
Blutlos die Wege. Lieder aus den Gärten.
Schatten und Sintflut. Fernes Glück: ein Sterben
Hin in des Meers erlösend tiefes Blau.

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Bernhard Schlink: Der Vorleser


»Wart noch«, sagte sie, als ich aufstand und gehen wollte, »ich muß auch los und komm ein Stück mit.«
Ich wartete im Flur. Sie zog sich in der Küche um. Die Tür stand einen Spalt auf. Sie zog die Kittelschürze aus und stand in hellgrünem Unterkleid. Über der Lehne des Stuhls hingen zwei Strümpfe. Sie nahm einen und raffte ihn mit wechselnd greifenden Händen zu einer Rolle. Sie balancierte auf einem Bein, stützte auf dessen Knie die Ferse des anderen Beins, beugte sich vor, führte den gerollten Strumpf über die Fußspitze, setzte die Fußspitze auf den Stuhl, streifte den Strumpf über Wade, Knie und Schenkel, neigte sich zur Seite und befestigte den Strumpf an den Strumpfbändern. Sie richtete sich auf, nahm den Fuß vom Stuhl und griff nach dem anderen Strumpf.
Ich konnte die Augen nicht von ihr lassen. Von ihrem Nacken und von ihren Schultern, von ihren Brüsten, die das Unterkleid mehr umhüllte als verbarg, von ihrem Po, an dem das Unterkleid spannte, als sie den Fuß auf das Knie stützte und auf den Stuhl setzte, von ihrem Bein, zuerst nackt und blaß und dann im Strumpf seidig schimmernd.

Sie spürte meinen Blick. Sie hielt im Griff nach dem anderen Strumpf inne, wandte sich zur Tür und sah mir in die Augen. Ich weiß nicht, wie sie schaute - verwundert, fragend, wissend, tadelnd. Ich wurde rot. Einen kurzen Augenblick stand ich mit brennendem Gesicht. Dann hielt ich es nicht mehr aus, stürzte aus der Wohnung, rannte die Treppe hinunter und aus dem Haus.
Ich ging langsam. Bahnhofstraße, Häusserstraße, Blumenstraße - seit Jahren war es mein Schulweg. Ich kannte jedes Haus, jeden Garten und jeden Zaun, den, der jedes Jahr frisch gestrichen wurde, den, dessen Holz so grau und morsch geworden war, daß ich es mit der Hand zerdrücken konnte, die eisernen Zäune, an deren Stäben ich als Kind mit dem Stock klingend entlanggerannt bin, und die hohe Backsteinmauer, hinter der ich Wunderbares und Schreckliches phantasiert hatte, bis ich hochklettern konnte und die langweiligen Reihen verwahrloster Blumen-, Beerenund Gemüsebeete sah. Ich kannte das Kopfsteinpflaster und den Teerbelag auf der Straße und die Wechsel zwischen Platten, wellenförmig gepflasterten Basaltklötzchen, Teer und Schotter auf dem Gehweg.


Alles war mir vertraut. Als mein Herz nicht mehr schneller klopfte und mein Gesicht nicht mehr brannte, war die Begegnung zwischen Küche und Flur weit weg. Ich ärgerte mich. Ich war wie ein Kind weggelaufen, statt so souverän zu reagieren, wie ich es von mir erwartete. Ich war nicht mehr neun, ich war fünfzehn. Allerdings blieb mir ein Rätsel, was die souveräne Reaktion hätte sein sollen.
Das andere Rätsel war die Begegnung zwischen Küche
und Flur selbst. Warum hatte ich die Augen nicht von ihr lassen können? Sie hatte einen sehr kräftigen und sehr weiblichen Körper, üppiger als die Mädchen, die mir gefielen und denen ich nachschaute. Ich war sicher, daß sie mir nicht aufgefallen wäre, wenn ich sie im Schwimmbad gesehen hätte. Sie hatte sich auch nicht nackter gezeigt, als ich Mädchen und Frauen im Schwimmbad schon gesehen hatte. Überdies war sie viel älter als die Mädchen, von denen ich träumte. Ober dreißig? Man schätzt das Alter schwer, das man noch nicht hinter sich hat oder auf sich zukommen sieht.

Jahre später kam ich drauf, daß ich nicht einfach um ihrer Gestalt, sondern um ihrer Haltungen und Bewegungen
willen die Augen nicht von ihr hatte lassen können. Ich bat meine Freundinnen, Strümpfe anzuziehen, aber ich mochte meine Bitte nicht erklären, das Rätsel der Begegnung zwischen Küche und Flur nicht erzählen. So kam meine Bitte als Wunsch nach Strapsen und Spitzen und erotischer Extravaganz an, und wenn sie erfüllt wurde, geschah es in koketter Pose. Das war es nicht, wovon ich meine Augen nicht hatte lassen können. Sie hatte nicht posiert, nicht kokettiert. Ich erinnere mich auch nicht, daß sie es sonst getan hätte. Ich erinnere mich, daß ihr Körper, ihre Haltungen und Bewegungen manchmal schwerfällig wirkten. Nicht daß sie so schwer gewesen wäre. Vielmehr schien sie sich in das Innere ihres Körpers zurückgezogen, diesen sich selbst und seinem eigenen, von keinem Befehl des Kopfs gestörten ruhigen Rhythmus überlassen und die äußere Welt vergessen zu haben. Dieselbe Weltvergessenheit lag in den Haltungen und Bewegungen, mit denen
sie die Strümpfe anzog. Aber hier war sie nicht schwerfällig, sondern fließend, anmutig, verführerisch - Verführung, die nicht Busen und Po und Bein ist, sondern die Einladung, im Inneren des Körpers die Welt zu vergessen.

Das wußte ich damals nicht - wenn ich es denn jetzt weiß und mir nicht nur zusammenreime. Aber indem ich damals darüber nachdachte, was mich so erregt hatte, kehrte die Erregung wieder. Um das Rätsel zu lösen, rief ich mir die Begegnung in Erinnerung, und die Distanz, die ich mir geschaffen hatte, indem ich sie zum Rätsel gemacht hatte, löste sich auf. Ich sah alles wieder vor mir und konnte wieder die Augen nicht davon lassen.
 
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