Quo vadis?

...Irgendwann läßt es sich eben nicht mehr aufhalten, dieses Gefühl, dieses spezielle. Ich hab mich auch vor etwa einem Jahr aufgemacht und bin jetzt an einem (vorläufigen?) Endpunkt angekommen.

...

Vielen Dank für Deine guten Wünsche, liebe Daphne,

Ich vergleiche dieses drängende, dringend werdende Gefühl mit einem Kochtopf, der mit geschlossenem Deckel erhitzt wird. Irgendwann fängt es leise an zu zischen, dann rumort es leise. Irgendwann ist der Druck schon mal so weit den Deckel anzuheben, dass er mit Geräusch zurück fällt -dann ist der Druck kurz weg, baut sich aber auch bald wieder auf. So geht es eine Zeit in zunehmender Tendenz. Und irgendwann beginnen die Dampfblasen sich energisch vom Topfboden zu lösen, und bald scheppert der Deckel andauernd. Dem Druck ist dann nichts mehr entgegenzusetzen.
Und ich möchte vermeiden, dass mein Wasser verkocht...
(na ja, Vergleiche hinken bekanntlich :) )


Und Kleidungsstücke des Identitätsgeschlechts sind ein Symptom für diese unterdrückte Identität (die Definition " Störung der Geschlechtsidentität" finde ich ziemlich problematisch. Ein durch Weiter-so nicht zu lösender Konflikt zw. Identität und Körper trifft es vielleicht besser.)
Strumpfhosen, Röcke etc. sind dann irgendwann neben der höchst angenehmen Trageeigenschaften auch Symbol des Inneren.

Da gibt es bei mir übrigens das nur scheinbare Paradox, dass ich als Frau gerne gesehen werden will, aber dann wenn mir Leute entgegenkommen, versuche ich doch so unauffällig zu werden wie möglich.
Heute gegen sechs abends kam ich von so einem, längeren Spaziergang in weiblicher Erscheinung zurück, durch ein belebtes Viertel mit Bus- und Straßenbahnhaltestellen, dann durch hell erleuchtete Wohngebiete mit Mehr- und einfamilienhäusern, aber auch etwas einsamere Gebiete mit Baum und Fels. Dass mich hunderte von Menschen oberflächlich als Frau gesehen haben, gibt mir Selbstbewußtsein, aber jede Einzelbegegnung kann doch ein kleiner Herzklopfer werden. Und ich bin kein Mensch, der "Kicks" sucht oder braucht.


LG
Atalanta
 
Hey,

schön dass du so wundervolle Erlebnisse hast. Das freut mich für dich. Es ist schön sich mit einer Bio Frau so gut verstehen zu können.

Liebe Christina, danke herzlich.

Ich freue mich, dass sich hier nun schon einige, der von mir sehr geschätzten Forum-Mitglieder ihr Feedback auf meine Erlebnisse gegeben haben.

Jedoch möchte ich gewisse Sachen " entzaubern ", zumindest wie es hier in Upper Austria ist.

Du hast recht: Illusionen machen sollte man sich nicht, und ich denke Deine Hinweise ist auch für andere in ähnlicher Situation, die dies lesen sollten, sehr wichtig.

Nun sind wir wohl in unterschiedlichen Situationen und Gesellschaften:
Schweden, wo ich wohne, ist ein Land der gleichgültigen Toleranz (abgesehen von den Machokulturen in einzelnen Problemvierteln der wenigen Großstädte, und der rechten Szene), einerseits. Da mich außer den Freunden und dem erweiterten Kollegenkreis nur wenige kennen, ist mir die Reaktion vieler Leute nicht so wichtig, wie sie es mir wohl wäre, wenn ich in einer kleinen Stadt in Deutschland oder Österreich lebte, und dort vielen vom Sehen im Beruf, im öffentlichen Leben usw bekannt wäre.

Ich bin in einer Kleinstadt groß geworden, und kenne dieses gräßliche "Was könnten die anderen Leute von mir/von uns/von unserer Familie denken!"

Diese Schere, der Zensor im Kopf kann m.E. dazu führen, daß wir uns Jahre länger verstecken.

Andererseits werden hier durch Politik und Medien, bei öffentlichen und vielen privaten Arbeitgebern durchweg hohe Anforderungen gestellt, was Diskriminierung angeht.

Ich hatte früher einmal hier gepostet über mein Coming out am Arbeitsplatz als Transmensch, der Frauenkleider trägt. Das war vor mehr als einem Jahr. Neben der durchgehend ausnahmslosen positiven Reaktion hatte mir sofort der Kollege der Ansprechpartner für Diskriminierungsfragen ist gemailt, mich zu meiner Offenheit beglückwünscht (und ein gemeinsames Bierchen vorgeschlagen) und dann ausdrücklich aufgefordert auch nur beim kleinsten Hauch von Mobbing deswegen ihm Bescheid zu geben, damit er und der Chef dagegen vorgehen würden.
Im übrigen war das nie nötig, und unser aller Verhältnis ist so gut wie zuvor.

Das heißt nicht, dass eine Transition hier mit nur wenig Problemen behaftet sein muss. Aber diese Erlebnisse machen mir immer Mut, mich den Überlegungen zu stellen wie es weitergehen kann.

Angst macht mir vielmehr, wie ich in dem Fall mit meinen Alten umgehen soll, die um 80 herum sind, und eben in der Kleinstadt leben, und meinen, dass immer alle einander beobachten und kontrollieren.
Was, wenn meine Entscheidungen deren Lebensgefühl vergällen, ihre letzten Lebensjahre vermiesen?
Auf der anderen Seite: Soll ich auf meine gelebte Identität verzichten müssen (falls ich dies möglich machen kann), auf Jahre oder vielleicht immer, nur(?) weil ich vermeintlich Rücksicht auf sie nehmen muß?
Ich verdanke ihnen viel im Leben - bin ich undankbar, wenn mein Lebensweg ihnen Kummer machen sollte?

Das ist nur ein Teil der Fragen, die sich nur als gravierendste stellen.

Ja, ich hab Freundinnen die mich verstehen, jedoch wird der Haupteil eine Transidente nie als vollwertige Frau sehen. No chance. Das tut weh, klar, aber wenn man sich nicht selbst was antun will, muss man damit eben leben.

Ja, natürlich!
Aber wie gesagt gilt hier auch, daß mir die Reaktionen Fremder eher am Buckel herabrutschen, so lange sie nicht tätlich sind und meine Freunde, meine Arbeitskollegen zu mir stehen, und vielleicht auch einmal meine Familie.

..
Und langsam wird mir auch klar, dass ich nicht in meiner geliebten Heimat bleiben kann. Nicht umsonst träum ich immer wieder von Skandinavien.

Das ist schwer, verstehe ich. Ich habe nach vielen Jahren in zwei Ländern kein wirkliches Heimatgefühl auf regionaler oder womöglich unvernünftigerweise nationaler Ebene - das erleichtert vieles. Nur meine beinharte Identität als überzeugte Europäerin; Europa, die EU, ist meine gefühlte undHeimat.

Falls Du Ambitionen hast auf Skandinavien, Schweden: Viele außerhalb haben ein Bild, dass von der Natur und den ehemaligen Sozialstaaten geprägt ist. D.h. von Urlauben, bei denen man das Land nicht kennenlernt bzw. einer verblichenen Utopie, deren praktische Konsequenzen man meist nicht kennt.

Du brauchst es vielleicht nicht, weil Du es schon kennst/weißt, aber sicherheitshalber der Rat, sich gut über hiesige Sozialsysteme zu informieren bevor man kommt (insbesondere das widersinnige Pensionssystem, dass vielen Rentnern im neuen Jahr minus sieben Prozent "beschert"; oder die asoziale Arbeitslosenversicherung; das teure und oft ineffektive Gesundheitssystem), und darauf gefaßt sein, dass man trotz aller oberflächlichen Freundlichkeit, lange kaum in diese alten (Bauern)- Gesellschaften Eingang findet:
Man ist hilfsbereit und angenehm unkompliziert im Ungang miteinander, aber enge Freundschaften zw. Schweden und Ausländern sind sehr selten (eher noch Liebesbeziehungen). In Schweden bleibt man gern unter sich...

Bloss ein Leben zu führen wo man sein kann wie man ist.

Dass möchte ich gern nach Möglichkeit. Falls es geht, dann möchte ich mit offenen Karten spielen, mich nicht mehr verstecken und den Weg bewußt zu gehen - und so selbstbewußt wie möglich.

Das habe ich mir schon länger fest vorgenommen und ich hoffe nur ich kann dann beuvdem Vorsatz bleiben, trotz der von dir zu recht angeführten Widerstände.

Und einige Bekannte von mir fragen mich warum ich mir das Leben selbst so schwer mache. Die haben nicht's kapiert. das zeitweise be.....scheidene Leben das ich im Moment führe hab ich mir nicht ausgesucht.

Genau. Ich wünsche Dir, dass du immer Kraft hast deren Uneinsichtigkeit abprallen zu lassen.

Du bist Du selbst, hast Deinen Selbstwert als Frau mit eben einer bio-Mann Vorgeschichte. Andere Frauen haben eine andere Geschichte - und jede Geschichte ist vor allem individuell. Am Frausein ändert das m.E. nichts, woher man einmal dahin kam und wie früh.

Dass man als "spätgeborene" Frau mehr Mühe haben wird, das Frausein zu leben, als die anderen, ist halt eine Folge der "späten Geburt" mit der wir zu leben haben. Ich möchte mich dem versuchen zu stellen.

Na, und eigentlich könnte man doch den Spieß ein wenig umdrehen und auch sagen, dass geborene Frauen eben der bio-männliche Hintergrund abgeht :)

Schönes 2010 für dich Atalanta. Und geniesse die schönen Stunden.

god kväll,
christina

Dir auch und Danke nochmals herzlich!

LG
Atalanta
 
Ich kann sachlich nicht sehr viel beitragen. Ich bin nicht in Deiner Situation und ich kenne eigentlich auch niemanden, der in einer vergleichbaren Situation wäre, von anderen Forumsmitgliedern einmal abgesehen.

Aber es gefällt mir sehr, wie Du Dich der Problematik näherst: Bestandsaufnahme, was ist machbar, wo lauern die Gefahren, wie ist die Umwelt einzuschätzen, wo gibt es Verbündete, welche Auswirkungen kann das alles haben, usw. usw. .....

Wenn man mental die Oberhand behält, es also schafft immer ein wenig über den Dingen zu stehen, sich nicht in den Strudel der Ereignisse hineinziehen zu lassen, dann ist das vermutlich schon einmal die halbe Miete und ich habe irgendwie den Eindruck, dass Du durchaus die Zügel in der Hand hältst.

Also, viel Glück und möge das Experiment gelingen!
 
Hallo,
nun bin ich seit langem mal wieder hier.

Demnächst schreibe ich mal, wie es weitergegangen ist/weitergeht.

LG
Atalanta
 
Lieber Satinlook,

das ist eine wirklich herzliche Begrüßung - herzlichen Dank!!! - fühlt sich an als ob man nach Hause kommt!

LG
Atalanta
 
Hallo,
nun bin ich seit langem mal wieder hier.

Demnächst schreibe ich mal, wie es weitergegangen ist/weitergeht.

LG
Atalanta

Na, das freut mich aber auch gewaltig. Der "Abschied" kam ja ein wenig abrupt und unangekündigt. Irgendwie kam es mir so vor, als habe da jemand einen Berg von einschneidenden Veränderungen zu bewältigen und deshalb keine Zeit mehr für Forenbeiträge. Jedenfalls bin ich sehr gespannt auf deine Berichte. :)
 
nachdem was ich in diesem Thread bisher lesen durfte, freue ich mich ebenfalls, das du wieder zurück bist!
Und noch mehr freue ich mich darauf, zu erfahren wie es dir denn in der "forenfreien" Zeit so ergangen ist!! :eek:

Ganz liebe, wenn auch bisher unbekannte Grüße, Highwalker
 
Danke lieber
Pezi, Highwalker und Morx,


ist fein gleich so viel Zuspruch zu bekommen. :)

Also kurz meine derzeitige Lage, die eigentlich recht prosaisch ist und dann später mehr

- Ich habe mit den therapeutischen Gesprächen begonnen.
Ziel ist die gesetzlich vorgeschriebene "utredning" (Untersuchung) bezüglich einer evtl. zukünftigen Transition (Übergang zum Leben im Wunschgeschlecht) in einem dafür bestimmten Zentrum in der Nähe. Was dies dann ergibt am Ende wird man sehen.
Ich bin nunmal kein Bilderbuch-TI, die das schon immer von kleinauf gewusst hat, sondern fühle mich als Teil des Transspektrums, wenn auch relativ mehr auf der Seite dessen was man als TS bezeichnet.
Habe halt "nur" einen Traum, den ich im Rahmen meiner Möglichkeiten mir gerne erfüllen würde. Hätte ich den sprichwörtlichen Zauberstab, wäre die Situation ja schon entschieden. Habe ich aber nicht!

Die Zeitfrage brennt mir derzeit also nicht so unter den Nägeln, und ich komme mit diesem Zwischen- oder Doppelleben zur Zeit zurecht. Die weiter oben beschriebenen Hinderungsgründe bestehen ja weiter (und ändern kann ich daran ja aus guten Gründen nichts!)


- Ich nutze die Zeit für mich und bin so oft ich es nur einrichten kann weiblich unterwegs, in unterschiedlichsten Zusammenhängen. Seit Ende April im Prinzip 1-3 mal wöchentlich.
Eigentlich kann ich nur Positives darüber berichten - bis auf zwei Erlebnisse, die aber im einen Fall an meinem doch recht guten Selbstbewusstsein scheiterte (schweigend abblitzen lassen, scheinbar nichts bemerken - hilft meist), die andere am beherzten Eingreifen meiner (Bio-)Freundinnen (die zwei offenbar notgeile Männer wie Kletten von mir abzupfen mussten, mehrfach hintereinander)

Demnächst mehr..,

LG
Atalanta
 
Hallo Atalanta,

schön wieder was von dir lesen zu können. Freu mich schon auf weitere Berichte von dir.

Übrigens: Bei mir ist ganz gewaltig viel weitergegangen. Seit Anfang des Jahres hab ich Meilenschritte getan.

Na dann..............bis demnächst,

lg,
christina
 
Nun habe ich es auch geschafft (wenn es dann funktioniert), mein Profilbild an die Realität anzupassen.

Es entstand Anfang August bei einem Photoshooting - wir waren dort mit mehreren TS, TG, TV bei einer professionellen Modephotoagentur, wo auch ein Schminkservice angeboten wurde.
Anschliessend konnte man sich die Photos aussuchen, die einem am besten gefielen. Nicht ganz billig, aber dafür vorzeigbare Bilder, finde ich.
 
Laß dir mal die Brauen zupfen. Ich hab das machen lassen, das bringt unheimlich viel.
 
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